Seelenriss: Thriller
schon befragt?«
»Romanov? Keine Ahnung – habe sie nicht gesehen.«
Oh, Scheiße! Lena eilte zum Flur hinaus. Von der Sprechstundenhilfe fehlte jede Spur. Lena blickte suchend umher, ehe sie zur Toilette stürmte. Der Geruch von Rauch war hier deutlich stärker. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, stieß sie die nur angelehnte Tür zur Toilettenkabine auf. Die blonde Russin blickte erschrocken hoch.
»Nein, nicht!«, schrie Lena, als die Frau ein brennendes Schriftstück ins Klo warf. Olga Romanov wollte eben die Spülung betätigen, da stieß Lena sie beiseite und fischte die verkohlte Papierseite aus der Kloschüssel.
»Warum zum Teufel haben Sie das getan?«, blaffte Lena die Sprechstundenhilfe an und hielt die nasse Papierseite mit spitzen Fingern in die Höhe. »Was stand darauf, das niemand erfahren sollte?«
Romanov blickte mit finsterer Miene auf das tropfende Papier. »Das geht Sie überhaupt nichts an!«
»Das sehe ich aber anders«, entgegnete Belling, der in diesem Moment mit zwei Polizisten herbeigeeilt kam. Während Lena mit zusammengekniffenen Augen das Schriftstück betrachtete, gab er den beiden Beamten ein Zeichen, Romanov abzuführen. Mühsam versuchte Lena, die Worte zu entziffern, doch es gelang ihr nicht einmal ansatzweise. Die mit schwarzer Tinte geschriebenen Buchstaben hätten ebenso gut zu einem Testament wie zu einem Kinderlied oder einem Kochrezept passen können. Sie schloss für eine Sekunde die Augen. Das darf doch alles nicht wahr sein!
34
Lena verließ das Gebäude über den Hinterausgang und machte einen großen Bogen um die Reporterschar, die sich vor dem Haus versammelt hatte. Sie konnte gerne darauf verzichten, ihr Gesicht in den Abendnachrichten zu sehen. Noch war keine Kamera in ihre Richtung geschwenkt worden. Sie wollte eben auf ihre Vespa steigen, die sie in einiger Entfernung abgestellt hatte, da sah sie, wie Olga Romanov zum Einsatzwagen geleitet wurde. Unschlüssig blickte Lena zu der Frau hinüber. Ihr war klar, dass die Sache mit diesem verbrannten Schriftstück ihr keine Ruhe lassen würde, ehe sie nicht wusste, was es damit auf sich hatte. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie die Russin auf dem Revier vernehmen sollte, verwarf den Gedanken aber rasch wieder. Sobald Romanov erst einmal ihren Anwalt eingeschaltet hätte, würde es Ewigkeiten dauern, bis sie etwas aus ihr herausbekam. »Na schön«, stöhnte Lena und machte kehrt. Gesenkten Blicks bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge, als sich eine Reporterin nach ihr umdrehte. Die wichtigtuerische Journalistin von diesem Klatschblatt hatte ihr gerade noch gefehlt!
»Lena Peters, sieh einer an – was haben Sie hier zu suchen? Hat der Suizid des Professors mit der Mordserie zu tun, in der Sie derzeit ermitteln?« Kaum hatte die Frau die Frage ausgesprochen, wandten sich auch die anderen Reporter nach ihr um. Ein plötzliches Blitzlichtgewitter brach aus, und unzählige Fernsehkameras wurden auf Lena gerichtet. Sie senkte den Kopf und lief schneller.
»War dieser Psychiater der berüchtigte Säure-Killer?«, fragte ein anderer Reporter und stellte sich ihr mit seinem Mikrophon in den Weg.
Lena schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wäre zu schön, um wahr zu sein«, entgegnete sie knapp.
»Peters, einen Kommentar zum Täterprofil!«, ertönte es aus der Menge.
»Wie sieht die Bestie aus, die Sie jagen?«
»Und warum konnten Sie den Kerl immer noch nicht fassen?«
Ohne einen weiteren Kommentar zwängte sich Lena zwischen den wild durcheinanderrufenden Reportern, Fotografen und Kameraleuten hindurch und verschwand im Einsatzwagen. Sie atmete tief aus und bedeutete dem Polizisten hinter dem Steuer, sie für einen Moment mit Olga Romanov, die ihr mit ausdrucksloser Miene gegenübersaß, alleine zu lassen. Kaum hatte der Mann den Wagen verlassen, richtete Lena ihren Blick zum Fenster hinaus. »Die sind ziemlich aufgebracht da draußen«, sagte Lena und fixierte die Russin wieder mit scharfem Blick. »Und wissen Sie was? Ich kann es ihnen nicht einmal verdenken.« Das Kinn vorgereckt, schüttelte sie den Kopf. »In dieser Stadt läuft ein brutaler Serienmörder herum, der seine Opfer auf denkbar grausame Weise foltert und anschließend in den sicheren Tod stürzt.« Während Lena das sagte, studierte sie das Gesicht der Russin. Doch die Miene der Frau zeigte bei dem Wort »Serienmörder« ebenso wenig Regung wie bei »foltert« oder »Tod«.
»Warum hat sich Professor Wallau in den Tod
Weitere Kostenlose Bücher