Seelenriss: Thriller
drückte seine Zigarette in der Mittelkonsole aus und drosselte das Tempo.
Die Gestalt im Anorak erwartete ihn bereits am Kassenautomaten. Belling zwang sich, stark zu sein, und fuhr weiter auf den Mann zu, der wenig später auf seinem Beifahrersitz saß. Wie bei jedem ihrer Treffen folgte eine kurze Unterredung. Dann machte sich der Mann ebenso schnell, wie er gekommen war, mit einer beträchtlichen Summe Bargeld wieder davon. Kaum hatte er die Beifahrertür hinter sich zugeschlagen, sank Belling im Sitz zurück und atmete kräftig aus. Er sah dem Mann noch hinterher, bis dieser an der nächsten Straßenecke verschwand, und rieb sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Einmal mehr kam er sich unendlich schäbig vor. Der Mann hatte seinen Wagen noch keine fünf Minuten verlassen, da riss Belling das Klingeln seines Handys aus seinen Gedanken. Der Anruf kam aus dem Revier. Belling unterdrückte einen Seufzer und betätigte die Gesprächstaste.
»Ja, Belling hier.«
Es war Lucy.
»Was gibt’s?«, fragte Belling und lauschte gebannt, was Lucy zu sagen hatte, als ihn die Worte »Doppelmord« und »Blutbad« schlagartig hochfahren ließen. »Was sagen Sie da?«
»Es besteht kein Zweifel, dass es sich um denselben Killer handelt«, hörte er Lucy am anderen Ende der Leitung sagen.
Das Handy zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt, startete er blitzschnell den Wagen.
»Bei den Opfern handelt es sich um ein älteres Ehepaar aus Charlottenburg, das von der Tochter ermordet aufgefunden wurde.«
»Alles klar, ich bin auf dem Weg!« Mit quietschenden Reifen wendete Belling und machte sich auf den Weg zum Tatort.
42
Unter ungeheurer Anstrengung öffnete Lena die Augen. Ihr Mund war staubtrocken, und sie fühlte sich unendlich müde und kraftlos. Vorsichtig hob sie den Kopf an, doch es wollte ihr nicht gelingen, den Blick scharf zu stellen. Wo um alles in der Welt bin ich? Die Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, und der Geruch von Desinfektionsmittel kroch ihr in die Nase.
Das Erste, was ihr auffiel, war, dass sie in einem Bett lag. Doch dieser Raum war nicht ihr Schafzimmer. Und auch nicht das von Lukas. Was zum Teufel war passiert? Es dauerte eine Weile, ehe sich ihre Sicht klärte und ihr ein Blick unter die Decke verriet, dass sie ein OP -Hemd trug. Als Nächstes registrierte sie die Infusionsnadel, die in ihrer linken Armbeuge steckte und ihr bei der allerkleinsten Bewegung in die Vene stach. Lena hatte nicht die geringste Ahnung, was ihr augenblicklich in die Adern gepumpt wurde, doch fest stand, dass sie sich in einem Krankenzimmer befand. Wie in Gottes Namen war sie hierhergekommen?
Vage erinnerte sie sich an die Auseinandersetzung mit Lukas im Hof. Und an die Befragung des kleinen Manuel in Matthias’ Praxis. Anschließend hatte sie Lucy angerufen und sie gebeten, zu überprüfen, ob alle Opfer am Tag des Brands mit der U-Bahn unterwegs gewesen waren. Und dann?
Krampfhaft durchforstete sie ihr Gedächtnis, doch da war nichts als ein großes Fragezeichen. Möglicherweise hatte sie einen Schwächeanfall gehabt, überlegte Lena. Und wo waren ihre Sachen? Vorsichtig richtete sie sich im Bett auf und ließ ihren Blick durch den Raum wandern, da hörte sie plötzlich Schritte auf dem Korridor. Sie verstummten unmittelbar vor ihrer Tür. Gemurmel wurde laut. Lena spitzte die Ohren, schnappte jedoch lediglich ein paar Wortfetzen auf, die keinen Zusammenhang ergaben. Die Tür öffnete sich, und eine hagere Krankenschwester mit kurzen pechschwarzen Haaren trat mit einem Klemmbrett unter dem Arm herein. Was auch immer diese Schwester, die mit einem gezwungenen Lächeln auf sie zukam, ihr gleich sagen würde, es kam absolut zur falschen Zeit.
»Guten Tag, Frau Peters, ich bin Schwester Marina.« Das Lächeln wurde breiter.
»Was ist passiert? Wo bin ich?«, brach es unvermittelt aus Lena heraus.
Schwester Marina reichte ihr ein Glas Wasser, das Lena in einem Zug herunterstürzte.
»Sie sind an einer Tankstelle zusammengebrochen, als sie dabei waren, Ihren Roller zu tanken. Nachdem ein Angestellter einen Krankenwagen gerufen hatte, sind Sie in die Charité eingeliefert worden.«
Misstrauisch beäugte Lena die Frau. »Weshalb bin ich hier? Und wo sind meine Sachen?«
Die Schwester presste die Lippen aufeinander. Ihr aufgesetztes Lächeln schien eine Art Dauereinrichtung zu sein. Ausweichend antwortete sie: »Das wird Ihnen die Frau Doktor gleich in Ruhe erklären. Ihre persönlichen Sachen befinden
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