Seelensplitter: Thriller (German Edition)
sie von ihren Streifenfahrten erzählen und wie sehr sie das belastete.
»Und was für Leichen hast du im Keller?«, wandte sich in dem Moment Isabel an Lina. »Wer so verschwiegen ist, hat doch sicher einiges zu bieten.«
21
W ieder steht Lina vor Isabel von Dykes idyllischem Heim. Um den Weiher ziehen Jogger ihre Kreise, ein paar Krähen haben sich im Geäst der Bäume versammelt.
Diesmal überrasche ich sie, denkt Lina. Niemand soll sich vorbereiten können. Niemand soll Zeit haben, weitere Sackgassen anzulegen.
Auf dem Grundstück begegnet Lina einem etwa vierzehnjährigen Mädchen in Reithosen, speckiger Lederweste, die langen Haare ungepflegt, in der Hand eine Reitgerte. Das wird Annkatrin sein, denkt Lina, die Tochter, von der Isabel in der Therapie erzählt hat.
»Ich soll Sie ins Wohnzimmer bringen«, sagt sie.
»Mich?«, fragt Lina.
»Sie sind doch der verschissene Hochzeitsplaner?«
Lina antwortet nicht, sondern folgt ihr zum Haus. Hinter ihnen fährt knirschend ein Lieferwagen vor. Annkatrin bleibt auf der obersten Stufe stehen, klopft mit der Gerte gegen ihre Stiefel und beobachtet, wie die beiden Männer in ihren grünen Kitteln aus dem Wagen klettern. Einer von ihnen schiebt die Tür des Transporters auf und zieht einen Blumenkübel heraus, der üppig mit exotischen Gewächsen bepflanzt ist.
Mit ihrer Gerte zeigt Annkatrin stumm neben den Aufgang und öffnet die Tür.
»Sonst wurde schon alles angeliefert?«, fragt Lina, als sie in die Halle treten.
»Ich könnte kotzen, wenn ich an diese Hochzeit denke.«
Annkatrin dirigiert Lina an zwei üppigen chinesischen Vasen vorbei zu einer gläsernen Schiebetür, hinter der sich das Wohnzimmer befindet. Sie verschwindet wortlos und lässt Lina in dem bizarren Durcheinander aus Dekostoffen, roten Schleifen, Kartons mit Kerzen und Papierdekorationen allein.
Das Zimmer ist in einer Mischung aus Kolonial- und Barockstil eingerichtet. Ein Sofa mit Zebramuster, ein Barockspiegel, der Hocker daneben ist mint. An der Wand ist ein gigantischer Flatscreen angebracht.
»So sieht es aus, wenn sich ein reicher Junggeselle einrichtet«, sagt Isabel, die plötzlich hinter Lina steht. »Warst du zufällig in der Nähe?«
Sie trägt Jeans und einen olivgrünen Arbeitskittel. Dazu rosa Plastikhandschuhe, die sie mit einem Plopp abzieht.
»Du heiratest?«, fragt Lina. »Ich dachte …«
»Du weißt doch, wie die Männer sind. Er hat sich tapfer gewehrt, und nun ist die Schlacht geschlagen.«
»Aber ich dachte, du wärst längst verheiratet. In der Therapie hast du …«
»Kleine Notlüge«, sagt Isabel und zwinkert mit den Augen. »Ich wollte da nicht als diejenige rüberkommen, die es noch nicht geschafft hat.«
»Klein ist gut«, erwidert Lina.
»Na ja, wir leben schon eine ganze Weile zusammen. Das wird jetzt nur mit Ringen besiegelt. Ich muss an meine Tochter denken, geordnete Familienverhältnisse und so.«
Sie macht eine Pause und sagt dann: »Du weißt ja, wie wichtig die sind.«
Zweifellos eine Anspielung auf Linas Jugend in einer Adoptivfamilie. Natürlich hat sie in der Therapie erwähnt, dass sie in einer Pflegefamilie aufgewachsen ist. Isabel zeigt auf die Zebracouch und fragt, ob sie einen Tee »bringen lassen« soll.
»Du hast wahrscheinlich genug mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun«, sagt Lina rücksichtsvoll.
»Für einen Tee wird ja wohl noch Zeit sein.«
Isabel verlässt kurz das Zimmer und kommt dann wieder zurück. Sie setzt sich neben Lina auf die Couch und sagt: »Eigentlich glaube ich nicht ganz, dass du hier zufällig hereinschneist. Also, worum geht’s?«
»Du weißt, dass Astrid tot ist?«
»Ja, ich weiß es«, sagt sie. »Ich muss das verdrängen, ich komme damit nicht klar. Es ist immer dasselbe.«
»Wie meinst du das?«
»In mir drinnen bin ich wahnsinnig traurig. Aber ich komme damit nicht raus, es ist wie weggeschlossen. Trotz der Therapie. Meine Güte, zwei Frauen sind tot, mit denen ich zwar nicht eng befreundet war, aber mit denen ich doch einige Zeit verbracht habe.«
»Kann man wohl sagen.«
Isabel rückt auf die Kante der Couch vor und sagt: »Was meinst du damit?«
»Nur, dass ihr oft zusammen wart.«
»Du meinst unsere Weiberabende? Du hast davon gehört?«
»Ja, und ich habe mich gewundert.«
»Ja, wir waren in verschiedenen Striplokalen. Hat uns allen gutgetan. Schon wegen des Abstands.«
»In verschiedenen Striplokalen«, wiederholt Lina und kann sich den ironischen Tonfall nicht
Weitere Kostenlose Bücher