Seelensplitter: Thriller (German Edition)
dann …«
Mit dem Taxi fahren sie nach St. Georg.
»Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, ich meine das mit dem Damenbesuch«, sagt Che.
Damenbesuch. Lina verkneift sich eine Bemerkung und sieht auf die Alster. Segelboote und Fährbarkassen ziehen durchs Wasser.
Che Ling dirigiert den Fahrer am Atlantik-Hotel vorbei Richtung Steindamm und schließlich in die Koppel. Hier hat sie vor einiger Zeit eine Ausstellung im Künstlerhaus besucht. Archaische Figuren aus einer bizarren Welt, die von einer brasilianischen Künstlerin auf Papier gedruckt und auch als riesige Pappen im Raum verteilt worden waren. Als Betrachterin fühlte sie sich, als wäre sie plötzlich von einer fremden, bis dahin unsichtbaren Welt umgeben, mit mächtigen Wesen, die über ihr Schicksal entscheiden.
Vor einem üppig verzierten Backsteinportal bittet Che den Fahrer zu halten. Lina sieht sich verwundert um und entdeckt eine Tafel, die die Anlage hinter dem Portal als Stiftung eines Hamburger Kaufmanns ausweist, gestiftet zum Andenken an seine Frau. Darunter der Schriftzug »Seniorenresidenz«.
»Bist du doch älter, als ich dachte?«, fragt Lina.
Che schüttelt den Kopf und führt sie wortlos durch das Portal, durch das man auf einen großen Platz mit Bänken, Blumen, Büschen und alten Bäumen gelangt. Neben den alten Stiftsgebäuden mit Backsteinfassaden und kleinen Fenstern umsäumen moderne Gebäude das Areal. Che führt sie zu einem der älteren Gebäude und steigt mit ihr in einen überraschend modernen Aufzug.
»Unter dem Dach«, sagt Che und deutet mit dem Daumen in die Höhe. Im vierten Stock hält der Fahrstuhl, und Che weist ihr den Weg zu seiner Wohnungstür.
»Du wohnst in einem Altersheim?«, fragt Lina, doch Che sagt noch immer nichts. Seinen eingezogenen Schultern sieht sie an, dass er unsicher ist.
Die beiden Zimmer sind mit Dachschrägen versehen, die Wände weiß gestrichen, kleine Fenster zum Innenhof. Die Einrichtung ist spartanisch, aber geschmackvoll. Weiße Regale, ein großer Arbeitstisch mit PC und Drucker, daneben Fernseher, Musikboxen und an der Wand eine Kalligrafie. Auf dem Hocker darunter eine Blume und durch die offene Zimmertür sieht Lina in das winzige Schlafzimmer, das fast vollständig von einem Bett ausgefüllt wird.
Sie setzen sich in die Küche, die neben Lebensmittelregal, Kühlschrank und Spüle gerade mal Platz für einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen bietet.
»Warum ist Damenbesuch hier so eine Sache?«, fragt Lina.
»Die Damen im Haus können sehr eifersüchtig werden«, antwortet Che und erklärt ihr, dass man ihm die kleine Dachwohnung angeboten hatte, nachdem er hier einen Minijob angenommen hatte.
»Einen Minijob?«, fragt Lina.
»Den Damen zur Hand gehen, Botengänge machen, Pakete abholen, Begleitung beim Arztbesuch, Lebensmittel einkaufen, was eben so anfällt.«
»Dann scheint das Geschäft mit den verkauften Villen oder als Zuhälter doch nicht so gut zu laufen?«, fragt Lina.
Che Ling sieht sie an, steht auf und brüht einen Grüntee auf.
»Ich habe deinen Kolleginnen aus der Therapiegruppe mal auf den Zahn gefühlt«, sagt er dann. »Habe mich am Telefon als Versicherungsvertreter ausgegeben und behauptet, ich würde den Tod von Carolin Scharnhövt untersuchen. Weil es bei der Lebensversicherung um eine größere Summe gehe, die nicht ausgezahlt werde, wenn es sich doch um Selbstmord handelt.«
»Und?«
»Die sind nervös, richtig nervös. Bei dieser Christina und auch bei Pia war es eindeutig auch Angst.«
Lina nimmt einen Schluck Tee und spürt ein wärmendes Gefühl in der Magengegend. Sie berichtet ihm ausführlich, was in Oviedo passiert ist, von Carlheims Tod, von Paul Ender und der CD.
»Ach ja, was ist mit diesen Filmen?«, sagt Che.
»Nicht gerade knisternde Erotik«, meint Lina.
»Das ist also Astrid«, sagt Che.
»Ja. Aber achte auf den nächsten Typen«, sagt Lina.
Che stoppt den Film, Lina lässt ihn ein paar Sekunden vorlaufen.
»Jetzt vergrößere mal den Oberkörper des Mannes.«
»Sekunde«, sagt Che, setzt ein Kreuz auf den im Bett liegenden Mann, der im Begriff ist, sich zur Seite zu drehen, um Astrid von hinten zu beglücken, und zoomt ihn heran.
»Treffer!«, sagt Lina.
»Ein Leberfleck in Herzform«, sagt Che.
»Darf ich vorstellen? Kriminalhauptkommissar Sven Emmert.«
»Ich kenne nur sein Gesicht«, sagt Che.
Kein Zweifel. Sven war mit Astrid im Bett. Er hat die Frau gekannt, deren Ermordung er jetzt untersucht. Hat Astrid ihn
Weitere Kostenlose Bücher