Seelensturm
kommen. Es dauerte nicht lange, da setzte sich Amy widerwillig zu uns, verschränkte ihre Arme und sah Alegra erwartungsvoll an. Deutlich spürte ich ihre ablehnende Haltung, jedoch war nun der Augenblick gekommen, in dem Amy sich entschuldigen musste. Keine wollte den Anfang machen. Musste etwa ich das Gespräch eröffnen?
»Dein Kleiderschrank und auch deine Kommode ist wieder in Ordnung«, begann ich. Alegra sah auf und lächelte. Das war die erste freundliche Reaktion von ihr. Ich hoffte, Amy verstand meine kleine Hilfestellung und würde endlich das Wort ergreifen. Und tatsächlich, sie verdrehte die Augen, als meine stummen Blicke sie aufforderten, etwas zu sagen.
»Es … tut mir leid, dass ich dein Schlafzimmer so verwüstet habe und auch das mit deinen Schuhen war nicht in Ordnung ...«, brachte sie endlich über ihre Lippen. Unruhig rutschte sie auf dem Sessel umher.
»Ich nehme deine Entschuldigung an. Aber kannst du mir erklären, warum du so wütend auf mich warst?«
Kurz sah Amy zu mir. Sie wusste, dass sie Alegra unser Geheimnis nicht anvertrauen durfte. Diese Aufgabe würden wir Onkel Finley überlassen.
»Wenn ich ehrlich sein soll, ich hatte geglaubt, du würdest unseren Onkel beeinflussen und ihn zwingen wollen, dass er uns fortschickt«, gestand Amy.
»Wie kommst du denn darauf? Ich wollte nie, dass er so etwas tut, … im Gegenteil, eigentlich wollte ich eher … zu euch gehören.« Beim letzten Satz verließ Alegra der Mut und aus ihrem Mund kam fast nur noch ein Flüstern.
»Euer Onkel liebt euch wirklich sehr und ich gebe zu, dass ich anfangs etwas eifersüchtig auf euch war. Doch als ich bemerkte, dass er meine Liebe erwidert, wich dieses Gefühl. Doch dann musste ich feststellen, dass ihr euch schon gegen mich entschieden hattet und mich nicht leiden konntet«, sagte sie traurig und nestelte verlegen mit ihren Händen. Es erstaunte mich, dass sie ehrlich etwas zugeben konnte. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass sie wirklich aufrichtig zu uns war.
»Trotzdem hast du nicht unbedingt viel dazu beigetragen, dass unser Leben hier angenehmer und ruhiger wurde. Wir hätten uns aus dem Weg gehen können.«
Alegra verzog ihr Gesicht, so wie ich es bisher von ihr kannte, wenn sie anderer Meinung war.
So wie Amy es sagte, klang es vorwurfsvoll und ich befürchtete schon, dass das Gespräch in die falsche Richtung lief.
»Wir haben alle Fehler gemacht«, beeilte ich mich zu sagen und warf meiner Schwester einen warnenden Blick zu.
Schweigend spielte Alegra mit ihren Fingernägeln.
»Warum hast du dich immer so zickig uns gegenüber verhalten? Du hast dich noch nie für etwas anderes interessiert, wie nur für dich selbst. Was hätten Jade und ich denn denken sollen? Unser Onkel bringt dich eines Tages hier her, du sprichst kaum mit uns, benimmst dich total daneben und erwartest dann, dass wir dich mit offenen Armen empfangen?«, warf Amy ihr vor. »Ich habe auch Fehler gemacht, aber du warst oft so herzlos zu uns.«
Alegra behielt ihren Blick weiter auf ihren Händen. »Es tut mir leid, dass ihr so von mir denkt. Es war nie meine Absicht. Ich bin kein einfacher Mensch«.
»Was hast du denn erwartet? Dass wir uns so sehr freuen und Mami zu dir sagen? Kannst du nicht verstehen, dass wir Angst um unseren Onkel haben?«
Auch wenn Amys Worte nicht gerade leicht waren, sprach sie doch die Wahrheit. Alegra sagte kein Wort, hatte sich alles angehört. Zu meinem Erstaunen schüttelte sie plötzlich ihren Kopf.
»War ich wirklich so schlimm?«, flüsterte sie. »Ich weiß, dass ich nicht einfach bin, aber ihr müsst mir glauben, ich liebe euren Onkel wirklich. Ich gebe zu, dass das anfangs nicht so war, aber ich versichere euch, dass ich noch nie in meinem Leben so viel für einen Mann empfunden habe. Ich habe ihm viel zu verdanken und er nimmt mich so, wie ich bin. Das …, das hat wirklich noch nie jemand getan.« Ihre Stimme erstarb und die ersten Tränen flossen ihre Wangen hinunter.
War dieser Gefühlsausbruch echt? Misstrauisch blieb mein Blick an ihr haften. Natürlich stellte ich mir die Frage, was in den letzten Tagen mit der Alegra passiert war, die wir alle kannten? So hatten Amy und ich sie noch nie zuvor erlebt. Sensibel und verletzlich.
Unsicher und verwirrt tauschten Amy und ich Blicke aus. Eine gelbe Aura umschloss mich, was Amy dazu brachte, warnend die Lippen zu spitzen und ihren Kopf zu schütteln. Ich sollte nicht auf diese Masche hereinfallen, doch das Gelb sprach
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