Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
Vom Netzwerk:
Nacht abgestorben, aber etwas anderes war in ihr erwacht.
    Wie auch immer. Ob es nun Alastor gewesen war, der ihr etwas erzählt hatte, oder ob es ihre Erinnerungen waren, die sie verfolgten, sie hatte gegenwärtig andere Probleme. Ihr war kalt. Bitterkalt. Bis auf die Haut war sie durchnässt. Ihr klapperten die Zähne, sie zitterte am ganzen Leib. Selbst das Luftholen fiel ihr schwer. Naphré kauerte sich zusammen und schlang die Arme um sich, damit sie sich wenigstens etwas wärmte. Sie hätte schwören können, dass Alastor sie an Land gehievt und sie angeschrien hatte, sie solle wieder anfangen zu atmen.
    „Alastor!“ Es war nur ein jämmerlich verzerrter Laut. Sie versuchte es noch einmal. Lauter. „Alastor!“ Der Erfolg war derselbe. Keine Antwort. Nur Stille. Der einzige Effekt war, dass ihr von der Anstrengung ein klein wenig wärmer wurde.
    „Alastor!“
    Er war nicht da.
    Sie war auf sich allein gestellt. Wie immer.
    Als Erstes musste sie trocken werden. Das war das Wichtigste. Auch wenn es ihr schwerfiel, die eingeigelte Haltung aufzugeben, richtete sie sich auf die Knie auf und tastete mit den Händen den Boden ab, so weit es ging, ohne die Position zu ändern.Dann kroch sie auf allen vieren langsam in verschiedene Richtungen. Viel Hoffnung hatte sie nicht, dass sie fand, was sie suchte. Und keinesfalls wollte sie riskieren, sich zu weit vom Ausgangspunkt wegzubewegen. Sie wusste selbst nicht, warum es wichtig war. Aber dadurch hatte sie zumindest das Gefühl, in dieser unergründlichen Finsternis einen winzigen Anhaltspunkt zu haben, und sei es bloß als psychologische Stütze gegen das Gefühl der vollkommenen Verlorenheit.
    Es dauerte eine Weile, bis sie das Gewicht spürte, das an ihren Schultern zog. Was sie suchte, befand sich noch immer dort, wo es schon bei ihrem Aufbruch in diese fremde Welt gewesen war: auf ihrem Rücken.
    Erleichtert legte Naphré den Rucksack ab. Zusammengekauert ließ sie den Kopf auf die Arme sinken. In ihrer Verzweiflung war die Dankbarkeit selbst für diesen geringen Trost so überwältigend, dass sie auf die Zähne beißen musste, um nicht loszuheulen. Sie zählte bis sechzig, während sie so verharrte, um ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Dann raffte sie sich auf und machte sich daran, den Rucksack zu öffnen. Mit ihren tauben, zittrigen Fingern kostete es sie einige Mühe, das richtige Ende vom Reißverschluss zu finden und daran zu ziehen. Stück für Stück packte sie aus. Zuerst die Fleecejacke, die vollkommen durchnässt war, dann die wasserdicht verpackten Snacks, die Trinkflasche, bis sie schließlich zuunterst auf den Plastikbeutel stieß, in dem die Sportsachen steckten, die ebenfalls trocken geblieben waren.
    Sie breitete den Inhalt des Rucksacks um sich herum aus, indem sie sorgfältig darauf achtete, dass alles in Reichweite blieb, damit ihr keine der Kostbarkeiten verloren ging. Darauf zog sie ihre nassen Sachen aus. Besonders aus den nassen Jeans herauszukommen kostete unendlich viel Kraft. Daran, dass sie einen heimlichen Beobachter haben könnte, der imstande war, ihr trotz der Dunkelheit beim Umziehen zuzuschauen, verschwendete sie keinen Gedanken.
    Endlich hatte Naphré es geschafft und steckte nun in trockenenSachen. Die Anstrengung hatte sie erschöpft, und sie sehnte sich nach Schlaf, unterdrückte jedoch ihre Müdigkeit, um vorher ihre nassen Sachen auszubreiten. Mit Glück trockneten sie ein wenig. Darauf suchte sie sich einen ihrer Proteinriegel, aß ihn zur Hälfte auf und verstaute den Rest wieder. Schließlich rollte sie sich auf dem harten Boden zusammen und fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Als Naphré erwachte, wölbte sich über ihr ein roter Himmel, übersät mit tiefroten, fast violetten Wolken. Die Gegend um sie herum war flach und trostlos. In jeder Richtung erstreckte sich eine endlos scheinende Ebene, die von rissiger rotbrauner Erde bedeckt und einem purpurfarbenen Fluss durchzogen war.
    Von Alastor keine Spur. Sie haderte mit sich, weil sie nicht an ihn denken wollte. Warum sollte sie sich auch um ihn sorgen? Er war ein Reaper. Wahrscheinlich hatte er einfach eines seiner Portale geöffnet und war, als es ernst geworden war, in Richtung Heimat entschwunden.
    Natürlich war das Unsinn. Daran glaubte sie nicht im Ernst. Es war eine Art Trotzreaktion in ihrer verzweifelten Lage. Dass Alastor sie einfach zurücklassen würde, wollte sie sich nicht vorstellen. Er hatte sie gerettet. Abgerissene Erinnerungsfetzen wirbelten ihr

Weitere Kostenlose Bücher