Seelensunde
fragte er ernst.
„Hast du vielleicht auch Angst vor Raupen oder Spinnen?“ Als er nicht antwortete, fuhr sie ein wenig zu forsch fort: „Dies ist ein altes Haus. Da taucht immer mal wieder irgendwelches Viehzeug auf.“
Alastor runzelte die Stirn. Dann meinte er: „Na gut, lassen wir das.“ Zu dem Mädchen gewandt sagte er: „Dann wollen wir uns mal vorstellen. Also ich bin Alastor. Das hier ist Naphré. Und du bist …?“
Sie blickte von einem zum anderen, schluckte und antwortete schließlich: „Marie – Marie Matheson.“
Alastor verzog keine Miene. Dennoch merkte Naphré, dass der Name ihm etwas sagte.
Marie sackte förmlich in sich zusammen und gab ihre Abwehrhaltung auf. Sie lehnte sich zurück und rieb sich die Schläfen. „Ich habe furchtbare Kopfschmerzen.“
„Du hast anscheinend unter Drogen oder Alkohol gestanden. Möchtest du ein Glas Wasser?“, bot Naphré ihr an.
Marie brauchte einige Augenblicke, um ihre Gedanken zu ordnen, sei es, dass sie die Frage nicht gleich verstanden hatte oder dass sie überlegte, wie sie in diesen Zustand geraten war. Dann sagte sie leise: „Ja, bitte.“
Naphré ging in die Küche und holte ein Glas stilles Mineralwasser.
„Gib es mir“, sagte Alastor, als sie damit zurückkam. Er setzte sich neben Marie und stützte sie, indem er ihr den Arm unter die Schultern schob. Sie war steif wie ein Stock und warf ihm einen ängstlichen Blick von der Seite zu. Ihm entging ihre Anspannung nicht, aber er sagte dazu nichts.
„Trink“, befahl er und hob ihr das Glas an die Lippen. Als sie das Glas ausgetrunken hatte, zog er den Arm wieder weg und gab Naphré das Glas zurück.
Naphré konnte sich nicht genug über ihn wundern. Er war ein Seelensammler, ein Reaper. Er war überwiegend damit beschäftigt, andere zu töten und sie ihrer Seelen zu berauben. Vor allem solche, die einmal ihre Leute gewesen waren, Isistöchter. So wenigstens hatte man es ihr früher immer erklärt.
Jetzt jedenfalls saß er da wie der leibhaftige Samariter und kümmerte sich geradezu rührend um ein junges Mädchen, dem es schlecht ging und das Kopfschmerzen hatte. Naphré beobachtete ihn dabei und konnte sich nicht des Gefühls erwehren, als wären diese Handreichungen etwas, das er schon unzählige Male getan hatte. Er hatte Routine darin. Ungewöhnlich genug, dass ein Reaper die Krankenschwester spielte – aber es musste einmal jemanden gegeben haben, der ihm genug wert gewesen war, es zu tun. Wer war es? Eine Frau? Dieser letzte Gedanke gab Naphré einen kleinen Stich. Schnell verdrängte sie ihn.
„Marie, wer hat dich unter Drogen gesetzt?“ Alastors Stimme klang sanft, aber bestimmt.
„Drogen?“, fragte sie, als würde sie die Frage nicht begreifen. Halt suchend schlang sie die Arme um die angezogenen Knie.
„Woran kannst du dich erinnern?“, schaltete Naphré sich ein.
Marie gab einen Laut von sich, der fast wie ein leises Schluchzen klang. „Ich erinnere mich an eine Party. Plötzlich ist mir schlecht geworden, und ich habe Angst bekommen.“ Sie wandte sich Naphré zu. „An Ihre Stimme kann ich mich erinnern. Aber das war nicht mehr auf der Party. Das war später.“ Unsicher fügte sie hinzu: „Kann das sein?“
Naphré hatte rasch ein zweites Glas Wasser geholt und reichtees ihr. Marie nahm es mit zitternden Händen und verschüttete etwas. Alastor wollte ihr helfen, aber sie wehrte ab. „Nein, lassen Sie. Es geht schon. Nur einen Augenblick. Ich muss mich besinnen.“ Sie trank jetzt in kleinen Schlucken.
Alastor stand auf und wartete. Dann fragte er noch einmal eindringlich: „Wer hat dich unter Drogen gesetzt?“
„Ich weiß es nicht.“ Marie sah sich ratlos um und wollte offenbar das Glas abstellen. Naphré nahm es ihr ab und bemerkte dann, wie Marie die Hände faltete und krampfhaft aneinanderpresste. „Es hätte jeder gewesen können.“
„Es hätte. Aber du weißt, wer es war. Sag es mir“, bohrte Alastor unerbittlich weiter. Marie schüttelte stumm den Kopf. „Sag es“, beharrte Alastor.
„Es war Hochwürden.“
„Djeserit Bast?“, fragte Naphré.
„Nein. Hochwürden Kusnetzov.“
Der Bastard, dachte Alastor und fragte weiter: „Warum hat er es getan?“
„Ich …“ Marie wand sich. Ihr Blick schweifte umher. „Ich weiß es nicht.“
„Was vermutest du?“ Alastor ließ nicht locker, aber Marie presste nur die Lippen zusammen und sagte nichts mehr. „Okay“, meinte er darauf zu Naphré. „Dann fahr ich sie jetzt zurück
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