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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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»Jason ist kein Psychopath. Er ist böse, tötet aber mit Bedacht, nach strategischen Überlegungen. Seine Leute fürchten ihn, andererseits wissen sie, dass ihnen, solange sie seine Befehle befolgen, nichts passiert und ihre Taschen voll sind. Er respektiert Stärke. Und er kann sehr charmant sein, aber ganz gleich, was er sagt oder wie er uns empfängt, trauen Sie weder ihm noch seiner rechten Hand Miko. Am besten Sie trauen niemandem da drin. Jason ist die treibende Kraft und verkörpert Stärke, Miko ist der Kopf, und dieser Kopf spinnt Pläne mit hohen Opferzahlen aus.«
    Richard stoppte. Charlotte blieb neben ihm stehen. Die durchgehende Mauer aus Gebäuden war hier besonders baufällig. Die Witterung hatte das ehemals kräftige Rostrot zu einem blassen, traurigen Orange gebleicht. Kreuz und quer war lose Bauholz an die Mauer genagelt.
    »Warum halten wir hier?«, flüsterte Charlotte.
    »Wir werden von Schildwachen beobachtet«, antwortete Richard. »Da drüben auf dem Dach, einer rechts in dem Boot, einer, der jedes unserer Worte belauscht, genau über uns auf dem Balkon. Die Wachen werden Jason berichten, wir warten hier ab, ob er uns empfangen will.«
    Sie beugte sich zu ihm. »Und wenn nicht?«
    »Dann klopfe ich an seine Tür«, gab Richard zurück.
    Die Hauswand hinter ihnen glitt zur Seite. Eine alte Frau in einem formlosen roten Kleid und einem roten Schal um ihre Haare erschien. Sie winkte ihnen mit einer runzligen braunen Hand und verschwand dann wieder im Dämmer des Hauses.
    »Unsere Einladung.« Richard grinste.
    »Aha.«
    »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
    Er schritt durch den engen Flur, der Hund trottete hintendrein. Charlotte trat als Letzte ein und bildete die Nachhut oder wie auch immer die treffende militärische Bezeichnung lauten mochte. Sie folgte dem Hund eine Treppenflucht schmaler, dunkler Stufen hinauf, in einen Flur und durch eine weitere Tür. Vor ihnen lag ein weitläufiger, von den im Weird üblichen Laternen erhellter Raum. Die wie Bündel zierlicher Blüten geformten Laternen hingen an Haken zwischen den Fenstern unter der hohen Decke. Ein kostspieliger Läufer bedeckte glänzenden Holzboden bis zu einem gemauerten Kamin. Mitten davor stand ein von weichen, hellen Ledersesseln umgebener Teetisch.
    Im üppigsten Sessel fläzte sich ein Mann. Seine Schultern spannten den Stoff eines grauen Hemdes. Seine Brust war breit, die unter den kurzen Ärmeln seiner Tunika sichtbaren Arme muskelbepackt. Er musste an die eins neunzig groß sein, denn seine riesige Gestalt ließ den Sessel winzig wirken. Sein Haupthaar hatte er von der Stirn bis zum Nacken in regelmäßigen Abständen zu unterschiedlich breiten Streifen ausrasiert, sodass sich Streifen glänzenden Haars mit glatt rasierter, hellbrauner Kopfhaut abwechselten.
    Seine Züge wären auf eine männliche, eckige, einem Anführer zukommende Weise ansehnlich gewesen, wenn die linke Gesichtshälfte nicht größtenteils unter Narbengewebe verschwunden wäre. Charlotte diagnostizierte eine Verbrennung. Allerdings nicht durch die direkte Einwirkung von Feuer – sondern entweder durch Dampf oder – was ihr wahrscheinlicher erschien – durch die Hitze eines magischen Blitzes. In das Narbengewebe war ein Zickzackmuster gestanzt. Vermutlich von irgendeinem Gitter vor der Hitzequelle. Das war also Jason Parris. Sie hatte einen älteren Mann erwartet, stattdessen sah sie einen Mittzwanziger vor sich.
    Die Augen des Mannes, die sich auffallend grün von der dunkleren Haut abhoben, musterten zuerst Richard und blieben dann an ihr hängen. Kluge Augen. Der Mann strahlte Macht und Gefahr aus, und als sie seinem Blick begegnete, krochen seine Augenbrauen um Haaresbreite in die Höhe. Vielleicht hatte er gedacht, sie würde zucken.
    Neben ihm stand ein Mädchen, so schlank und zierlich, wie er massig war. Sie wirkte zu jung, um hier zu sein, siebzehn, höchstens achtzehn. Ihr Gesicht war glatt und eine Spur dunkler als seines. Ihr Haar hing ihr in steifen, offenen Locken ins Gesicht, vermutlich das Resultat irgendeines Pflegemittels. Sie trug eng anliegende Jeans und ein graues Sweatshirt mit dem Aufdruck HARVARD in Knallrot. Offenbar ein Mitbringsel aus dem Broken.
    »Der Jäger«, sagte Jason mit tiefer, resonanter Stimme. Er sprach langsam, als hätte er alle Zeit der Welt. »Ich fühle mich geehrt. Fühlst du dich auch geehrt, Miko?«
    Miko schwieg.
    »Du siehst, sie fühlt sich geehrt.« Jason breitete die mächtigen Arme aus. Seine

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