Seelentraeume
heilt und wenn ich alleine von der Stilllegung des Marktes profitiere, sind wir im Geschäft.«
»Aber ehe sie überhaupt etwas tut, braucht sie Ruhe und was zu essen«, wandte Richard ein.
Die Männer sprachen über sie, als wäre sie gar nicht anwesend.
Parris blickte ihn an. »Sehe ich für dich aus wie ein Hotel?«
»Acht Stunden ungestörte Ruhe hinter verschlossener Tür, frische Klamotten, Essen und sauberes Waschwasser«, sagte Richard. »Das sind unsere Bedingungen.«
Parris seufzte. »Also gut. Aber wenn mein Gesicht bis Mittag nicht wiederhergestellt ist, ruht ihr zwei wesentlich länger als acht Stunden, und zwar unter der Erde.«
Charlotte folgte Richard und einer mit einem Schwert bewaffneten Frau die Treppe hinauf. Sie betraten einen schmalen Flur. Vor einer Tür blieb die Frau stehen und öffnete sie. Richard ging hindurch. Charlotte und der Hund betraten die kleine Suite hinter ihm. Makellos sauber, die Wände hell, fast golden vertäfelt, große, von grünen Vorhängen eingerahmte Fenster. Das Zimmer hätte durchaus zu einem gehobenen Hotel gehören können. Den größten Teil seiner Fläche nahm ein großes Bett mit einladend leuchtender gelber Bettwäsche ein. Darauf zwei Stapel Kleidung. Ein einzelnes Bett in einem Einzelzimmer. Jason hielt sie offenbar für ein Paar.
Der Hund ließ sich auf den Teppich plumpsen und schnüffelte. Richard machte die Tür zu, schloss ab und ließ einen schweren Holzriegel einrasten, als wolle er den Eingang zu einer alten Festung sichern.
Seine Haut wirkte teigig, sein Gesicht war dreckverkrustet. Aus seinen Kleidern stieg ein abscheulicher Gestank. Offenbar hatte er seinem Körper das letzte Quäntchen Kraft abgerungen.
»Es macht mir nichts aus, wenn Sie zuerst ins Bad gehen«, sagte sie.
Er neigte leicht den Kopf. »Mir auch nicht.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Sie waren einverstanden, meine Anordnungen zu befolgen«, sagte er.
»Die Reihenfolge, in der wir das Bad benutzen, hat nichts mit unserer Mission zu tun.«
»Charlotte«, sagte er mit müder Stimme, »ich werde nicht vor Ihnen duschen.«
Sie erschrak, als sie ihn ihren Namen aussprechen hörte. Etwas an der Art, wie er es tat, löste dasselbe feminine Flattern aus, das sie spürte, als er sie schön genannt hatte. Ein äußerst seltsames Gefühl, eine Mischung aus Furcht, Verblüffung und Vergnügen, durchdrungen von Erregung. Doch nichts davon ergab einen Sinn. Sie war mit Blut und Dreck besudelt. Und nicht nur das, es war noch nicht lange her, dass er sie Menschen hatte töten und ihre Taschen durchsuchen sehen. Eine Romanze war sicher das Letzte, woran er dachte, und sollte das Letzte sein, woran sie dachte.
»Richard«, gab sie mit fester Stimme zurück. »Sie riechen furchtbar. Haben Sie bitte Erbarmen mit meiner Nase.«
»Es steht Ihnen zu, zuerst ins Bad zu gehen. Ihm die Wiederherstellung seiner Visage anzubieten war ein Geniestreich.«
»Vielen Dank, ich kann trotzdem warten.«
Richard starrte sie an. Sie steckten in einer Sackgasse.
»Da ich gerade Ihre volle Aufmerksamkeit habe …«, sagte Charlotte. »Ich würde es in Zukunft begrüßen, wenn Sie mir, sobald Sie etwas aushecken, das einem abgebrühten Kriminellen die Sprache verschlägt, vorher wenigstens ansatzweise verrieten, was Sie vorhaben. In groben Zügen. Auch wenn ich mich mit der Unterwelt nicht so gut auskenne wie Sie, bin ich doch eine einigermaßen intelligente Frau, die nicht gut auf Überraschungen zu sprechen ist. Ich verstehe ja, dass Sie daran gewöhnt sind, als einsamer Schwertkämpfer unterwegs zu sein, trotzdem versichere ich Ihnen, dass ich Ihnen schon in der Planungsphase von Nutzen sein und Ihnen besser zur Seite stehen kann, wenn ich weiß, was Sie im Schilde führen. Benutzen Sie mich als Resonanz … wie sagt man im Broken?«
»Resonanzboden«, ergänzte er trocken.
»Genau.«
Richard stellte eine äußerst seltsame Miene zur Schau. Zwei Teile Verzweiflung, ein Teil Entsetzen und drei Teile Höflichkeit, die so tief saß, dass sie seine übrigen Gefühle in Schach hielt. »Gibt es sonst noch etwas, Mylady?«
»Ja. Wenn wir beide an einem Gespräch teilnehmen, wäre es mir ein Vergnügen, wenn Sie gelegentlich meine Anwesenheit würdigen und mir das Wort erteilen, anstatt ständig in der dritten Person von mir zu sprechen.«
Richard biss die Zähne zusammen. Sie wartete geduldig, ob er an die Decke gehen würde.
»Ich werde mich daran zu erinnern versuchen, wenn wir das
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