Seelentraeume
hatte er seine Faust dem Alligator gegen den Hals geschmettert. Der Mann zuckte zurück, und Richard schleuderte ihn mit voller Wucht über seine Schulter zu Boden. Noch ehe der Anführer aufprallte, trat Richard dem Mann mit der Keule vor die Kniescheibe. Knorpel knirschte, das Bein bog sich in die falsche Richtung, der Mann brach zusammen. Richard packte die Keule, entriss sie der Faust des Fallenden und wirbelte zu dem Messerkämpfer herum. Die Keule tanzte in seiner Hand, landete deftige Schläge – Kopf, Sonnengeflecht, Leiste –, bis sich auch der Messerkämpfer auf der Erde krümmte.
Das Alligatorenmaul sprang auf die Beine und ging mit ausgestreckten Armen und klaffenden Kiefern auf Richard los. Richard schlug ihm den rechten Arm weg, schloss die Finger um das Handgelenk des Mannes, riss daran, drosch die Keule auf das Nervenbündel an seinem entblößten Hals und landete einen weiteren Schlag unterm Kinn.
Der Große taumelte, als sei er betrunken, wedelte mit den Armen, kämpfte verzweifelt darum, oben zu bleiben, setzte sich dann halb, sank halb mit benommenem Blick hin.
Charlotte schloss den Mund.
Alles geschah so schnell, dass sie nicht mal eingreifen konnte. Sie hatte nur dagestanden. Die Heilerin in ihr verzeichnete die Verletzungen: ein Halstrauma, ein gerissenes hinteres Kreuzband – zumindest partiell. Bei einem vollständigen Riss waren in der Regel der hintere Teil des Femurcondylus und der vordere Teil des Schienbeinkopfes betroffen. Richard hatte den Angreifer so derbe getreten, dass die Beinknochen aufeinandergeprallt und Oberschenkel und Kniescheibe betroffen waren. Ein kompletter Riss hätte eine Heilerin wie sie oder ein Transplantat erfordert, denn wenn das Band erst mal gerissen war, konnte es kein Chirurg der Welt wieder zusammenflicken. Zwei Prellungen – eine leicht, eine schwer –, ein verrenkter Hals, ein ausgekugelter Arm, zahlreiche blaue Flecke und drei irreparabel angeknackste Egos. Und das alles in weniger als fünf Sekunden. Und ohne das Schwert aus der Scheide zu ziehen.
Richard kam zu ihr und streckte die Hand aus. Verstört legte sie ihre Finger in seine Hand, und er half ihr, über die Körper hinwegzusteigen, die in der von dem Hinterhof führenden engen Gasse gestapelt lagen.
Sag was
, ermahnte sie sich.
Wenn du redest, wirkst du souveräner.
Sie konnte nicht zulassen, dass er mitbekam, wie sehr er sie geschockt hatte. Sie musste cool und gefasst wirken, weil er das von seiner Partnerin erwartete. »Ich dachte, Jason würde sein Territorium besser sichern«, sagte sie. Ihre Stimme klang normal. Charlotte hatte befürchtet, dass sie zittern würde.
»Wahrscheinlich waren das seine Männer«, meinte Richard.
»Was soll das heißen?«
»Sie haben ihn gedemütigt«, antwortete Richard. »Er hat auf diese Weise sein Missfallen bekundet.«
»Ich nehme an, Sie werden mich jetzt darauf hinweisen, dass so etwas dabei herauskommt, wenn ich für mich selbst spreche.«
Versuch’s nur …
»So sehr mir das gefallen würde, wäre es doch nicht ganz richtig. Seit Jason den Kessel kontrolliert, habe ich die Stadt viermal besucht, und er hatte jedes Mal eine kleine Überraschung vorbereitet. Am schlimmsten war eine erkinianische Frau. Wir haben volle drei Minuten miteinander gerungen, und ich dachte schon, sie bringt mich um.«
Offenbar eine Art Hassliebe. Jason bewunderte Richard – das hatte sie seinem Gesicht und seinem Blick entnehmen können – und wollte seine Anerkennung, während er Richard deshalb zugleich gram war. »Jason sieht in Ihnen eine Art Vaterfigur, oder?«, vermutete sie.
»Ja.« Richard seufzte.
»Dann trifft es sich ja gut, dass Sie eine menschliche Küchenmaschine sind«, sagte sie.
»Verzeihung?«
»Küchenmaschine. Ein Haushaltsgerät aus dem Broken. Man tut Gemüse rein, drückt auf einen Knopf, und die Maschine hackt alles in winzige Stücke.«
Richard zog die Stirn kraus. »Wozu eine Maschine, wenn man Gemüse zerkleinern will? Wäre es nicht einfacher, ein Messer zu verwenden?«
»So spart man Zeit«, erklärte sie.
»Wirklich?«
»Na ja, um die Maschine zu säubern, braucht man manchmal mehr Zeit als zum Gemüsezerkleinern.«
»Das soll wohl heißen, dass ich nutzlos bin.«
»Trotzdem ist es ein nettes Gerät.«
»Und schwer zu säubern bin ich anscheinend auch.«
Sie musterte sein Gesicht. In seinen Augen tanzten winzige Funken. Er nahm sie auf den Arm. Na schön, wenn die Dinge so lagen … »Wenn ich an den Streit von gestern
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