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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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den Ohren.
    »Ich habe Richard geheilt. Er hatte viel Blut verloren, also bin ich los, um Blutkonserven zu besorgen. Während ich weg war …«
    Sie konnte es nicht. Sie konnte sich nicht überwinden, es zu sagen.
    »Die Sklavenhändler brannten das Haus nieder und ermordeten eine der jungen Frauen und eure Großmutter«, sprang Richard ihr bei. »Éléonore ist tot.«
    Sie konnte genau erkennen, wann George begriff, was seine Worte bedeuteten. Er wich einen kleinen Schritt zurück. In seinem Gesicht zuckte es, seine Schultern krümmten sich, als hätte ihm jemand ein Messer ins Herz gestoßen und als wolle er sich nun schützend um die Wunde zusammenrollen.
    »Nein«, sagte Jack. »Das Haus ist mit Wehrsteinen geschützt. Das ganze Haus ist von den Scheißsteinen umgeben. Da kommt keiner durch!«
    Georges Augen loderten weiß. Das Leuchten wurde heller und ergoss sich wie blitzende Tränen über seine Wangen. Kaum hörbar stimmte er einen urtümlichen Gesang an. Charlotte fühlte ihn von Magie umgeben. Ihre Nackenhaare sträubten sich. Er besaß so viel Macht.
So viel
. Sie speiste sich aus sich selbst wie eine Lawine.
    »Halt!«, rief sie. »George, nein …«
    Die Welle erreichte ihren Scheitelpunkt und brach sich. Weißes Licht schoss aus Georges Augen und Mund, leuchtete aus jeder Pore, setzte gleichsam seine ganze Hautoberfläche in Brand. Éléonore hatte ihr erzählt, dass der Junge ein Nekromant war, davon jedoch hatte sie kein Wort gesagt.
    Seine Füße verloren die Bodenhaftung, bis er einen Fuß über der Erde in der Luft hing. Seine Magie traf Charlotte mit voller Wucht. Wie eine Druckwelle. Sie schnappte nach Luft und sah ihn durch die Linse ihrer eigenen Macht. Er strahlte wie eine Leuchtboje, seine Magie bündelte sich zu einem Suchscheinwerfer in dunkler Nacht.
    Im Kopf hörte sie seine Geisterstimme.
    »
Mémère. Mémère, ich bin es, antworte mir. Bitte, antworte, bitte, Mémère

    Seine Verzweiflung stürzte über ihr zusammen wie ein Sturzbach. Tränen brannten in ihren Augen. Er griff weit aus, über den Rand des Weird und über die Grenze hinaus. Es war unmöglich, trotzdem tat er es.
    »
Bitte, Mémère
.
Ich liebe dich so sehr. Bitte, antworte mir …
«
    Seine von so viel Liebe und Hoffnung erfüllte Stimme ließ Charlottes Tränen fließen. Ihre Wangen wurden feucht. Jemand legte einen Arm um ihre Schulter, und sie bemerkte, dass es Richard war, der sie stützte. Ihr war klar, dass sie sich besser zurückgezogen hätte, andererseits bedurfte sie seiner Wärme, des Kontakts zu einer anderen Menschenseele. Sonst wäre sie von Georges Kummer davongetragen und im Innersten zerrissen worden.
    »
Mémère
…«, flehte Georges Geisterstimme.
    Die Dunkelheit antwortete nicht.
    »
Verlass mich bitte nicht
.
Bitte
…«
    Das Leuchten wurde schwächer. Die Magie ließ nach, dann stürzte George, fiel und krümmte sich zusammen. Seine Beine gaben einfach nach, dann hockte er unbeholfen auf den Brettern.
    »Sie ist fort«, sagte er mit schrecklich junger Stimme.
    Charlotte löste sich von Richard, ging gleichfalls zu Boden und schloss ihn in die Arme. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
    Da riss Jacks Haut auf. Ein Gewimmel von Muskeln und Haut, und ein riesiger Luchs landete auf allen vieren. Die Großkatze fauchte und rannte davon.
    Richard sprang auf. »Ich passe auf ihn auf.« Damit lief er hinter dem Luchs her.
    Mit stumpfem Blick starrte George auf den Boden. Kein Wort konnte ihm helfen. Nichts, was sie sagte, würde irgendetwas ändern, also blieb sie bloß bei ihm sitzen und hielt ihn in ihren Armen. Mehr konnte sie nicht tun.
    Richard stürmte zur Tür hinaus. Die Strandpromenade lag verlassen. Eine kostbare Sekunde lang hielt er inne, um sich von Barlo eine Garnitur unbenutzter Klamotten geben zu lassen, wodurch ihm Jack durch die Lappen ging. Gestaltwandler wie er waren gesellschaftlich nicht besonders angesehen. Ihr Verstand funktionierte anders als der normaler Menschen. Sie hatten keinen Sinn für zwischenmenschliche Beziehungen und Anstandsregeln, nahmen aber jede Kränkung schwer und ließen sich dadurch zu Gewalt hinreißen. Im Herzogtum Louisiana wurden sie nach der Geburt getötet, während Adrianglia sie wie ein schmutziges Geheimnis hütete und in gefängnisähnlichen Militärakademien zu Soldaten ausbildete.
    Doch anders als die meisten seiner Art war Jack dem Königreich nach der Geburt nicht überlassen worden. Er wuchs stattdessen in einer liebevollen Familie auf, die

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