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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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und stapfte hinaus.
    Charlotte sah Richard an. »Und warum stehen Sie da bloß rum?«
    »Die zwei sind noch jung. Da ist so was normal«, erklärte er und hielt ihr die Tür auf. »Besser, sie klären das jetzt und fertig.«
    Sie seufzte, stand auf und betrat die Boxhalle.
    Die beiden Jungen tänzelten umeinander, landeten eine schwindelerregende Serie von Tritten und Schlägen, blockten, drehten sich und sprangen. Alle anderen Kämpfer unterbrachen ihre Aktivitäten und sahen ihnen zu. Jack war eindeutig stärker und schneller, doch George hatte fleißiger gelernt. Seine Bewegungen verrieten die Sicherheit zahlreicher Trainingseinheiten, während Jack aus dem Bauch heraus kämpfte. Und sein Bauchgefühl lag selten falsch, dachte Richard, während George, nachdem er sich einen üblen Tritt eingefangen hatte, hilflos über den Boden schlitterte. Doch Jacks Instinkt konnte gutes Training nicht ersetzen. Trotzdem hatte sich der Junge enorm verbessert, seit William, der Mann seiner Base und seines Zeichens ebenfalls Gestaltwandler, für seine Nahkampfausbildung verantwortlich war.
    George rappelte sich auf, griff an, überwand die Deckung seines Bruders und schloss die Hände um Jacks Arm. Der Drei-Punkt-Überwurf, erkannte Richard. Jack wollte mit dem Lower Sud-Drop kontern – Williams Einfluss –, doch gegen den Drei-Punkt-Überwurf gab es keine Gegenwehr, und George hatte fest und sicher zugepackt. Ausfallschritt, Kehre, Überwurf. Jack segelte durch die Luft, und George warf ihn so heftig zu Boden, dass Jacks Rückenwirbel knackten.
    Autsch. Richard verzog mitfühlend das Gesicht. Das hatte wehgetan.
    George warf sich auf Jack und nahm ihn in den Schwitzkasten. Die Boxer grölten begeistert.
    Charlotte zuckte erneut. Vermutlich bedeutete es eine größere Herausforderung, sich das Ganze aus dem Blickwinkel einer Heilerin anzuschauen. Richard entschied sich für eine Aufmunterung. »Eigentlich gehen die zwei ganz pfleglich miteinander um. Dieser Überwurf zum Beispiel dient nur dazu, den Gegner außer Gefecht zu setzen. Eine Vierteldrehung nach rechts und Jack wäre mit dem Genick voran aufgeschlagen.«
    Sie warf ihm einen undurchdringlichen Blick zu.
    Was ihn zu weiteren Erklärungen nötigte. »George hätte ihm auch das Rückgrat brechen können …«
    Sie hob eine Hand. »Versuchen Sie bitte nicht weiter, mich aufzumuntern, Richard. Sie machen es nur schlimmer.«
    »Sei kein Idiot«, sagte George derweil und übte Druck auf Jacks Arm aus. »Du hast verloren.«
    »Quatsch, ich ruhe mich nur aus«, beschied Jack ihm durch zusammengebissene Zähne.
    »Du hast verloren.«
    Eine Zwickmühle. Jack würde nicht zugeben, dass er verloren hatte, und George würde seinem Bruder den Arm wohl trotz seiner Wut nicht ausrenken. Also trat Richard einen Schritt vor, um die beiden zu trennen, doch Charlotte hielt ihn zurück.
    Dann querte sie die Halle und ging neben den Jungen in die Hocke. »Das reicht jetzt, George.« Sie legte ihm behutsam eine Hand auf die Finger und griff mit der anderen nach dem Arm seines Bruders. »Ich muss euch beiden etwas sehr Wichtiges sagen, das nicht länger warten kann.«
    »Etwas Gutes?«, knirschte Jack.
    In Charlottes Gesicht zeigte sich tiefe Traurigkeit. »Nein.«
    George ließ Jacks Arm los, und beide rappelten sich auf.
    »Kommt«, sagte sie, hakte sich mit einem Arm bei George, mit dem anderen bei Jack ein und führte die beiden in das Hinterzimmer zurück.

6
    »Ich bin Charlotte.« Große Göttin, dafür gab es keine richtigen Worte. Charlotte holte tief Luft. »Eure Großmutter hat mich vielleicht mal erwähnt.«
    »Ja, Sie haben unser Haus gemietet«, sagte Jack.
    »Ja.« Sie nickte.
    George beugte sich vor. »Es ist etwas mit Großmutter.« Das war keine Frage.
    »Ja«, gab sie trotzdem zurück. »Ich bin Heilerin. Richard war verletzt. Er kam auf der Flucht vor Sklavenhändlern nach East Laporte und verlor dort das Bewusstsein. Jemand fand ihn und brachte ihn zu mir, damit ich seine Wunden heilte.« Sie schluckte. »Eure Großmutter und ich standen uns sehr nahe. Sie war immer sehr freundlich zu mir. Wir waren Freundinnen.«
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie zwang sich fortzufahren, jedes Wort tat ihr in der Seele weh. »Sie war bei mir, als Kenny Richard zu uns brachte. Außerdem eine andere junge Frau und ihre Schwester.«
    Das Herz wurde ihr schwer. Der Schmerz lastete auf ihrer Brust wie ein Bleigewicht. George und Jack sahen sie an. Ihre Stimme klang ihr seltsam in

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