Seelentraeume
»Ich liebe dich, Meister.«
Hinter ihr knurrte Jack wie ein Nachtmahr.
Georges Miene zeigte kein Erbarmen. »Hallo, Vater.« Damit trat er einen Schritt vor und schob den größeren Mann in die Kajüte zurück. »Besuch.«
Lynda huschte hinter ihm hinein. Die Tür fiel zu.
Oh George …
»Zum Bug«, sagte Richard und berührte sie sanft am Arm.
Sie folgte ihm nach vorne und fand sich an einer der Konsolen wieder, Vorrichtungen aus Bronze und Kupfer unter Glas und von Magie umhüllt.
Die Magie in ihrem Innern vibrierte, das Monster schien gesättigt, aber nicht zufriedengestellt. Je mehr sie es fütterte, desto mehr verlangte es von ihr. Die Magie umgab sie und umwogte sie in dunklen Strömen, wie ein unabhängiges Wesen, liebte sie wie ein treues Schoßtier, das nur existierte, um ihr zu dienen und zu behagen. Die zahllosen Belehrungen im Gemäuer des Colleges hatten gestimmt. Zerstörung war verführerisch und lohnend, während Heilen harte Arbeit bedeutete.
Dieses Mal hatte sie die Gelegenheit ergriffen und anstatt ihre Magie an ihnen zu kräftigen, die Krankheit aus eigener Kraft groß werden lassen und sie einfach getötet. Es hatte sich zu gut angefühlt, anderen das Leben zu nehmen, um ihre Magie zu füttern. Wenn sie noch einmal davon kostete, bestand die Gefahr, nicht mehr damit aufhören zu können. Und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Obwohl sie nur auf ihre Eigenreserven gesetzt hatte, fühlte sie sich seltsamerweise nicht erschöpft. Das Töten war ihr leichter gefallen als beim letzten Mal – und beim nächsten Mal würde es noch leichter sein. Ein abschüssiger Pfad. Von nun an musste sie gegen den Abstieg kämpfen.
Einer von Jasons Männern gesellte sich zu ihnen, sah, dass Charlotte noch in Magie gehüllt war, blieb wie angewurzelt stehen und hielt sicheren Abstand. Er blickte erst sie an, dann die Konsole und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen …
»Soll ich lieber gehen?«, fragte sie.
»Ja«, schnaubte er.
Charlotte trat zwei Schritte nach rechts, entfernte sich von der Konsole und näherte sich zwei anderen Männern in Jasons Gesellschaft, die beide aussahen, als würden sie für ihren Lebensunterhalt Schädel einschlagen. Die Halsabschneider gingen ihr aus dem Weg, während Jason stehen blieb und eine harte, unpersönliche Maske aufsetzte. Er hatte eine Scheißangst, die er sich jedoch nicht anmerken lassen wollte.
Charlotte fühlte sich mutterseelenallein. So also lebte man als Unberührbare.
»Mylady.« Richards Finger berührten ihren Arm.
Sie hätte fast einen Satz gemacht.
Er bot ihr seinen Arm an.
»Darf ich?«
Charlotte legte ihre Hand auf seinen Unterarm und blieb neben ihm stehen. Schmerzlich bewusst bemerkte sie, dass ihre Beine sich berührten und ihre Magie ihn umwogte. Sie sah ihn an. Seine Züge wirkten entspannt. Lächelnd erwiderte er ihren Blick, als hätten sie während eines Spaziergangs in einem Park Rast gemacht, um ein Blumenbeet zu bewundern. Sofort fühlte sie sich wieder wie ein Mensch.
Wieso, wieso hatte sie bloß Éléonores Einladung, ihre Familie kennenzulernen, nicht angenommen? Wäre sie Richard schon vor einem Jahr begegnet, wäre alles vielleicht ganz anders gekommen. Einen Mann wie ihn hatte sie immer schon treffen wollen. Stark, ehrbar, freundlich.
Aber er ist auch ein Killer
, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Na ja, für sie galt dasselbe.
Zu spät. Sie waren an Bord eines Schiffes, das den Tod brachte. Romantische Vorstellungen führten zu nichts. Sie waren ein Luxus früherer Tage.
Charlotte schaute stur geradeaus. In der Ferne ragte eine große Insel aus dem Meer. Zwei Häfen schmiegten sich an ihre Ufer. Rechts ragten hübsche aus Felsgestein gemeißelte Landungsstege, von Yachten und Booten flankiert, ins Wasser. Malerisch boten Palmen ihre Fächer dar, breite, von blauen und gelben Laternen gesäumte Straßen führten an pastellfarbenen Gebäuden in Schattierungen von Weiß, Gelb und Pink vorüber ins Landesinnere. Links boten weniger elegante Piers Schleppern und Lastkähnen Unterkunft und mündeten auf eine schäbige Promenade sowie in feindliche, düstere Straßen. Noch weiter links stach ein grau gemauertes Marinefort ins Meer und schützte beide Hafenanlagen.
»Wo zur Hölle sind wir?«, wollte jemand wissen.
Richard fluchte unterdrückt, dann fing er sich. »Verzeihung.«
»Was ist das für ein Ort?«, fragte Charlotte.
»Die Insel der Göttlichen Na«, antwortete er. »Eine unabhängige Baronie
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