SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
sie würden ewig ihren schützenden Schatten über jenen Zweig werfen, den sie selbst ins Licht geholt hatten? Fühlte es sich so an? Wenn ja, dann mochte Nilah dieses Gefühl nicht, nein, es machte sie sogar traurig.
Plötzlich fühlte sie sich so durchdringend allein, dass es ... Liran.
Ihr Herz schlug schneller, allein bei dem Gedanken an ihn.
Daan van Arten hatte alles erzählt, was es noch zu erzählen gab, und fühlte schon die Brücken brennen, als er noch nicht einmal das letzte Wort über seine trockenen Lippen gebracht hatte.
Es war die Zeit zu zahlen. Man bezahlte immer und überall. Für jede Sekunde musste man einen Tribut geben. Nur dieses Mal war der Tribut der größte Schatz, den er auf Erden kannte – seine Tochter.
Sein Leben lang versuchte man zu beschützen, zu lenken, zu dirigieren, es anderen rechtzumachen, sich zu ducken, nicht aufzufallen und alles von jenen fernzuhalten, die man liebte. Weil man um keinen Preis der Welt wollte, dass ihnen etwas zustieß, das auch nur ansatzweise dem eigenen vergangenen Leben ähnelte. Welch ein törichter Gedanke. Denn genau durch seine Erfahrungen, seine eigene erlebte Ablehnung durch den Vater und das stumme Stillschweigen der Mutter, hatte er genau jene Welt erschaffen, in der Nili letztendlich ihre Narbe ...
Er fühlte sich zum Kotzen.
Er hörte seine Tochter laut ausatmen und sah sie aus den Augenwinkeln an. Sie war schon so erwachsen, so stark. Ihr wunderschönes dunkles Haar wehte im Wind, der von der Bucht aufstieg und sie strich die Strähnen grob beiseite. Oft hatte er sich gewünscht, sie wäre noch immer das kleine Mädchen, dem er vorlesen konnte, um es zu bezaubern. Mit verstellter Stimme über all die Zeilen fliegend. Mal mit einem Holzbein und einem harr , harr , oder mal wieder die Spaghetti vorher bezwingen zu müssen und ihr herzhaftes Lachen dabei zu hören.
All das war nun vorbei.
Nili spielte mit der Lünette an ihrer Taucheruhr, drehte sie immer wieder vor und zurück, als könnte sie damit die Zeit bezwingen. Er hoffte inständig, sie würde nicht den Verschluss öffnen und sie ihm in die Hand drücken. Dann, so wusste er, hätte er seine Tochter für immer verloren.
»Ich glaube, ich habe mich verliebt, Papa«, flüsterte sie in die Stille.
Daans Herz blieb stehen, hüpfte einige Sekunden entsetzt und schlug dann weiter. Einhundert Millionen Gedanken gleichzeitig versuchten durch seine Zunge zu sprechen. Einhundert Millionen wies er zurück. Er schwieg.
Er hatte es geahnt, ja, gewusst.
»Fühlt es sich so an wie Hunger und Durst gleichzeitig?«, fragte Nili.
Daan wollte etwas sagen, doch ihm blieb alles im Halse stecken. Er sah stur in die Bay und rührte sich nicht. Warum hatte er … gab es einen Kurs an der Volkshochschule für so was? Er brachte keine Silbe heraus. Er wollte sich freuen, aber er konnte es nicht. Verdammt, er hatte dieselben Gefühle für Morrin, also warum konnte er nicht … er schluckte es hinunter. Wollte er noch eine Tochter haben, musste er etwas tun. Jetzt!
»Wie sehen seine Augen denn aus?«, fragte er. Als ob er das nicht wüsste.
Daan atmete aus.
»Als hätte man alle Blautöne der Welt in nur eine Pupille verbannt.«
Daan atmete verzweifelt wieder ein. Er hatte es hören müssen!
›Lass endlich los‹, rief eine Stimme laut in seinem Kopf. Er wollte eifersüchtig sein, aber er brachte es nicht übers Herz. Er wollte ein Vater sein, aber er wusste nicht mehr wie. Er wollte Nili an sich reißen, aber er wusste, dass er sie damit nur von sich stoßen würde. Vater zu sein war grausam.
Die Schöpfung ...
In ihr ...
»Was wird nur am Ende dieses Weges stehen?«
»Was ... was meinst du damit?« Sie knetete ihre Hände.
Er wusste es selbst nicht. Was wollte er? Er wollte, dass alles wieder so war, wie vorher. Er hatte Angst, große Angst. Er wünschte, er könnte alles verändern. Alles wieder in die vertraute Vergangenheit zurückverwandeln.
»Ist schon gut«, sagte er stattdessen leise.
Nili schwieg. Sie legte ihre Handflächen auf ihre Oberschenkel und bewegte sie vor und zurück, als wollte sie diese säubern.
»Er ist ...«
»Ich weiß", unterbrach er sie. ›Ich liebe Dich, Sternchen.‹
Er sah ihr an, wie sehr sie damit haderte. Aber sie umarmte ihn. Es war nur ein kleiner Abschied, aber er tat unendlich weh.
Mondlicht
Alle saßen beisammen. Niemand sagte etwas. Die Stille in dem Wohnzimmer und die Stille in den Gesichtern aller war so lautlos, dass jeder
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