SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
nicht so gut zu ihm passen würde.
Endlich hatte sie die beiden Stäbe gefunden. Doch jetzt brauchten sie etwas Schweres, damit diese auch sinken würden. Sie sah sich um, auch wenn sie wusste, dass hier nichts war, das man dafür hätte benutzen können. Kurz entschlossen fummelte sie einen Schnürsenkel an ihrem Schuh auf. Der Schuh sollte es wohl machen, wenn er erst voll Wasser gesogen war. Sie band einen Schiffsknoten so fest sie konnte darum und hockte sich an den Brunnenrand.
»Was machst du da?«
»Das wird uns gleich zeigen, wie tief es dort hinab geht.« Nilah brach den Stab, der sofort begann grün zu leuchten. Liran wich zurück. Dann hängte sie den Stiefel ins Wasser bis er schwer war. Sie ließ los.
Der Schuh sank und mit ihm der Leuchtstab.
Es war wirklich ein runder Schacht, den die Fackel erleuchtete. Es war, als drückte Licht hinab auf Dunkelheit, die aber, wie ein schwarzer Teller, immer darunter blieb. Tiefer und tiefer trudelten Schuh und Fackel. Nilah zählte lautlos mit. Der Schacht wurde optisch immer enger, als presste ihn etwas zusammen. Immer mehr verkam das Leuchten zu einem Glimmen, weiter und weiter, bis der verwaschene Punkt der Fackel plötzlich ganz erstarb. Liran starrte noch immer hinunter, als müsste das Licht jeden Moment wieder auftauchen.
Nilah zog sich auch den anderen Schuh aus, streifte die dicken Socken ab und krempelte die Hosenbeine hoch, stand auf und zog den Rest aus, bis auf ihr Trägershirt, fummelte den BH aus der Seite, der engte nur ein, dann stand sie da, plötzlich ganz klein und verwundbar, dass sie sich nackt und unendlich verletzlich vorkam.
Sie brach den zweiten Phosphorstab und stopfte ihn in den Gürtel. Grünes Schimmern legte sich auf die Wände.
Stumm reichte Liran ihr den Stein, den sie wie ein Kind in die Arme nahm. Sein Gesicht glühte vor Sorge und Stolz. Jetzt bloß nicht heulen.
Sie setzte sich auf den Rand und ließ die Beine ins Wasser. Der Krieger trat hinter sie, griff unter ihre Arme und seine langen schlanken Finger berührten sie fest oberhalb ihres Busens. Nilah atmete tief ein, ein schönes Gefühl.
Sie pumpte Sauerstoff. Nase ein, Mund aus.
Langsam hob er sie an, so dass sie in der Mitte des Brunnens schwebte, dann zog er sie plötzlich mit einem Ruck wieder zu sich, küsste sie in den Nacken und flüsterte:»E s ist ein Sprung in das Leben. Ich glaube an dich! «
Dann fiel sie.
Irgendetwas nahm ihr Leben in die Hand, um es davor zu bewahren, zu zerreißen. Nilah spürte die ungebremste Wucht des Lebens. Eine wilde, unbändige Anwesenheit.
Das Gefühl des Sinkens war elementar. So irreal, dass es ein Traum hätte sein müssen. Vor ihren Augen flog die Felswand vorüber, als stünde sie in einem gläsernen Fahrstuhl. Glatt, schwarz und schimmernd, von dem Grün der Fackel. Sie sah ihren eigenen Körper sich darin spiegeln. Matt erblickte sie sich selbst, den Stein an die Brust gedrückt, die Augen weit geöffnet.
Ein kurzer, schwerer Sog erfasste sie, ließ sie gegen die Wand taumeln und verschwand wieder. Er war kühler gewesen. Sie bemerkte ein Knistern in ihren Ohren. Mit aller Kraft umklammerte sie den Stein und zog eine Hand darunter hervor, drückte die Nasenlöcher zusammen und pustete fest dagegen. Ein Knacken in den Trommelfellen war die erhoffte Antwort.
Tiefer.
Sie legte den Kopf zurück und sah den Brunneneingang nicht mehr. Ein Hauch von Panik überkam sie. Über ihr Finsternis, unter ihr Finsternis. Allein ihr Weg war erhellt. Wieder eine Druckwelle, dieses Mal mit einer Eiseskälte, die sie frösteln ließ. Die Schachtwände wie Schornsteinschlote und ein immer drückender werdender Gedanke: ›Du kommst hier nicht mehr heraus.‹
Tiefer.
Nilahs Herz lag nicht länger in zwei warmen Händen. Nein, sie verwandelten sich in Klauen. Hier stimmte etwas nicht und es begann körperlich weh zu tun. Als würden Echos durch ihre Zellen strömen, die dort nicht hingehörten. Sie konnte kaum noch die Augen offen halten. Ihr Brustkorb schien wie eingesunken. Schwere schmiegte sich an sie. Sie sah ihren Papa, wie er lächelnd ein Lesezeichen aus einem Buch nahm und ihr etwas ...
Ein flüssiger Stoß riss sie aus dem Bild. Er war heiß. Flüssiger Schmerz bohrte sich in ihre Rippen, ihre Lungen – ihr Leben. Das war alles viel zu eng hier. Sie wollte wieder nach oben und zwar sofort. Sie fühlte ihre Beine nicht mehr, die Arme. Ihre Lunge schien durch ihre Kehle kriechen zu wollen.
Tiefer.
Sie fühlte keine
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