SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Angst. Nein, sie fühlte unsagbare Traurigkeit.
›Es tut mir leid, Liran‹, dachte sie. Aber da war noch etwas anderes in ihrem Körper, das anwesend war, das gedacht werden wollte, endlich die Freiheit erlangen wollte. Leben wollte es, rennen, lachen – küssen . Sie ließ es geschehen, es war Zeit dafür.
Ich liebe Dich!
Tiefer.
Nilah schloss die Augen. So wie es schien, für immer.
Dann öffnete sie die Arme.
Liran blickte ihr nach. Nilah versank, das lange Haar wie einen hellen Pferdeschweif hinter sich herziehend. Kälte kroch in seine Hände. Wie viel Mut erforderte es, das zu tun? Mehr als er hätte aufbringen können. Nicht in diese Tiefe, nicht in so dunkles Wasser, dessen Wesenheit noch immer nach ihm rief, selbst hier.
Mit einigen schnellen Schritten war er an dem dunklen Fleck, den er sofort bemerkt hatte, als sie die Stätte betreten hatten und der am Rand der Kammer lag. Wie er vermutet hatte, war es eine Treppe, ähnlich der, in die sie auf den Klippen gestiegen waren. Es gab also auch einen Zugang vom Fuß des Crannógs. Aber warum?
Hin- und hergerissen lief er ein paar Stufen hinab, Finsternis umklammerte ihn. Dann hielt er den Atem an, der kaum zu bändigen war, aber er zwang sich dazu. Waren da Schritte? Er zog die Luft durch die Nase wie es Ihad getan hätte und schnupperte. Da war es. Der Gestank von verbranntem Holz – Blutbäume.
Aber wie hatte Sunabru das Siegel überschreiten können? Wie hatte er es tun können, als er Nilah über die Brücke gefolgt war? Enyas Magie? Oder war es pure Willenskraft gewesen, dem einzigen Menschen zu helfen, der ihm so nahe stand und in Gefahr war? Doch Sunabru? War es seine eigene Magie oder gar geborgte? Verrat?
Wie konnte er ihr nur beistehen? Eilig stapfte er wieder nach oben, schlidderte bis an den Rand des Brunnens und gerade als er sich über die dunkle Oberfläche beugte, verschwand das grüne Leuchten, aus dem sich jetzt ein kleiner, dunkler Punkt löste, der immer größer wurde. Liran starrte ins Wasser. Mit einem Schwall aus umherfliegenden Tropfen glitt der Stein, den Nilah noch kurz zuvor in ihre Arme genommen hatte, aus dem Schacht, kreiselte wie suchend über den Boden und blieb genau an der Stelle liegen, an der Liran ihn aufgehoben hatte. Mit ihm war auch plötzlich das Summen verschwunden.
Nein! Der Krieger ballte die Fäuste und griff ins Wasser, als wollte er etwas festhalten. Der schwelende Geruch von kalter Asche kam immer näher. Nein! Beim Antlitz des Mondes, nein! Zorn.
Er stand auf und drehte sich zur Öffnung der Treppe. Da verstand er es.
A´kir Sunabru trug einen Teil der Schöpferseele bereits in sich. Den von Saoirse! Wenn auch nur einen Splitter davon, so reichte es offenbar, um das Siegel der Lebenslinien zu überqueren. Er hatte schon damals von der letzten Wahrheit gekostet, bevor Liran ihm den Arm abgetrennt und die Verbindung damit unterbrochen hatte. Der Magier hatte über zwei Jahrtausende mit diesem Splitter in dem Sarkophag gelegen. Kein Wunder, dass er nicht aufgab. Er würde eher die gesamte Schöpfung mit in den Abgrund reissen, als nachzugeben.
Der Krieger hatte seine Entscheidung in dem Moment gefällt, als er Nilah und ihren Vater in dem Garten beobachtet hatte. Kein Mensch sollte das durchmachen. So sehr Nilah ihn beeindruckt hatte, jetzt war sie allein. Er hatte schon genug Blut und Tod gesehen. Sie aber sollte ein Leben ohne all das führen dürfen.
› Es tut mir leid, Nilah. Aber nun gibt es nur noch meinen Weg. Du wirst gegen ihn nicht bestehen können.
Und dir, Sunabru, werde ich das verdammte Herz herausschneiden. Ja, werde ruhig wiedergeboren, es ist mir egal. Ich werde auf dich warten bis an das Ende aller Zeiten. Doch du, Nilah, wirst leben können, das Blut weitertragen. Eine andere Schöpferseele wird um das Schicksal der Welt fechten müssen. ‹
Liran zog das Messer aus seinem Gürtel und blieb neben dem Brunnen stehen. Wartend. Die Lichtlanzen wanderten, der Mond zog über den Himmel. Die Schritte kamen näher. Ganz ruhig streifte er den Pullover über sich, zog die Hose aus, die Schuhe, alles. Bis er nackt dastand. Zeit, wie ein echter Fian zu kämpfen. Er schickte jedes Feuer und jeden Tropfen Wassermagie auf seine Haut. Die Zeichen der Elemente brachen wild durch seine Poren. Er lockerte die Schultern. Den Griff um die Waffe locker, aber entschlossen.
›Bin ich immer noch dein Sohn?‹
Von Angesicht zu Angesicht
Nilah rauschte
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