SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
die Frau berühren, nur einmal, ganz kurz nur, aber sie traute sich nicht. Dann folgte sie dem Blick über die endlosen Wellen aus Sand hinweg. Das rote Abendlicht begann zu verlöschen und hinterließ eine kommende Nacht.
»Und du ...«, sie schaute Nilah an und ihr wurde ganz anders dabei, »...sollst die deine hinzufügen.«
›Ihre Seele? Hinzufügen? Ihre zerrissene, von einem dunklen See beherrschte Seele?‹ Nilah ließ den Kopf hängen, viel zu schwer war er plötzlich.
»Das... kann ich nicht tun.« Vor Nilahs Augen versank selbst eine Schöpferdrachin in diesem schwarzen See. Schon einmal hatte ein Drache unter ihrer Schwäche gelitten. Das würde sie kein zweites Mal zulassen. Sie sah, wie dieses schöne Wesen auf immer darin verschwand und nichts als ...
»Nilah, es ist Zeit dem Leben zu vertrauen, ihm seinen Lauf zu lassen.«
Ihr Herz schlug dumpf und nur noch in Jahrzehnten, als die Frau die Hand ausstreckte und mit einem Finger über ihre Narbe unter dem Auge strich, die zu kribbeln begann, sich zu dehnen schien. Nilah wollte sich in diese Hand stürzen, sich darin auflösen und endlich alles vergessen, aber stattdessen machte sie einen Schritt rückwärts. Die Frau zog die Hand langsam zurück, betrachtete sie prüfend, beinahe verwundert.
»Dem Leben vetrauen?«, flüsterte Nilah. Ihre Gedanken zitterten. ›Ihm seinen Lauf lassen?‹ Jetzt kam Bitterkeit in ihr hoch.›Nichts hat je zu mehr Unglück geführt, als das.‹ Sie ließ sich auf den Sand fallen, zog die Beine an und schlang ihre Arme darum, als müsste sie sich an sich selbst festhalten.›Die Welt ist ein grausamer Ort, ich dachte, du wüsstest das.‹ Sie konnte kaum ihre eigene Stimme hören. Oder war es nur ein lauter Gedanke gewesen, der da aus ihr gewichen war?
Die Frau, Gott, Drachin, was auch immer, setzte sich in einer eleganten, fließenden Bewegung zu ihr. Ihre grazilen Beine sanken in den Sand, ihre blassen Knie beugten sich leicht, ihre wundervollen Füße rieben sich wohlig aneinander. Es war zuviel. Zuviel für ein Menschenauge.
»Was meinst du damit?« Ihre Stimme ein warmer Wind.
Nilah wandte den Blick ab. Sie betrachtete die Schönheit, in der sie hockte, wie verloren. Wilde Sehnsucht überkam sie. Ein unstillbares Fernweh.
»Warum bin ich hier? Ich weiß, um meine Seele der deinen hinzuzufügen. Aber warum soll ich das tun?«
Die Frau wirkte plötzlich still, unnahbar. Doch selbst darin lag eine gewisse Vollkommenheit, die Nilah langsam Angst machte.
»Um die Schöpfung zu beschützen.«
Nun drang ein anderer Dorn in Nilahs Seite und er stach und stach. Tiefer und tiefer. Auch er würde niemals aufhören, das wusste sie ebenso, wie sie alles andere wusste. Sein Gift war ihre Bitterkeit. Die Schöpfung beschützen.
»Ich soll etwas beschützen, das derart gewissenlos ist? So gewalttätig und herzlos? Niemals würde ich das tun!« Dann steigerte sie sich in ihre Traurigkeit hinein. »Was soll ich denn beschützen? Liran hat mir erzählt, wie A´kir Sunabru seine Wesen erschaffen hat. Er hat einen heiligen Hain in Flammen aufgehen lassen und daraus Kreaturen geformt. Ha! Wir Menschen brennen täglich tausend Haine nieder. Wir schlachten, reißen nieder, töten, vergewaltigen, wühlen nach Gold in der Erde und das mit solch unglaublicher Gleichgültigkeit. Und das soll ich schützen?« Nilah bebte. Ihre Hand grub sich in den Sand und formte eine Faust.
Meine Mutter beschützen? »Was nur ... was nur ist an meiner Seele, das sie einen Drachen dermaßen fasziniert?« Ihre Stimme brach.
»Du sollst sie nicht nur beschützen, sondern ändern, Nilah.«
»Das hat bereits ein Mann namens Jesus versucht. Man hat ihn erst gefoltert und dann an ein Kreuz genagelt. So gehen wir Menschen mit jemandem um, der versucht etwas zu ändern. Veränderung bedeutet Blut und Leid.« Ihre Stimme war nur noch ein Schatten. »Wenn es nur noch einen einzigen Tiger auf der ganzen Welt geben würde, so gäbe es auch immer zwei Menschen, die seinen Untergang planen würden. Der eine, um den letzten Tiger zu besitzen und der andere, der keine Skrupel hätte, dafür den Abzug zu drücken.«
»Und sind alle anderen Menschen ebenso?«
›Liran?‹, war ihr erster Gedanke. Nein. So war er nicht. So würde er niemals sein. So durfte er niemals sein. Das würde sie nicht ertragen.
»Nein.«
»Er hat für dich getötet, Nilah. Würde er nicht alles andere auch töten, solange er einen gewichtigen Grund dafür findet?«
›Nein! Niemals.
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