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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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gefallen. Ihre Arme wirbelten kurz umher, dann blieb Nilah schlaff liegen, wie bewusstlos. Jetzt legte der Krieger alle Verlegenheit mit einem entschlossenen Blick ab. Er hob die Wolldecke an und schob vorsichtig Nilahs Sweatshirt nach oben, ohne möglichst ihre Haut dabei zu berühren, als ihm ein:»Bei den Sternen des Himmels!« entfuhr. Kalte Fangleinen umflochten sein Herz und zogen daran, dass ihm der Atem stockte. Völlig entgeistert starrte er auf Nilahs Bauchnabel. Zumindest dorthin, wo der Bauchnabel hätte sein sollen.
    Wie ein flüssiger Brunnen gähnte dort ein Loch. Kaum größer als eine Münze. Die Schwärze darin machte fast blind. Und weiter oben, nur Zentimeter unter der Wölbung ihres Busens, verliefen die Spuren von einem Fall oder Schlag, die sich nun in blauen, grünen und gelben Farben vermischten. Liran wühlte erneut in den Schränken, fand ein paar Kerzenstummel und Streichhölzer und zündete einen davon an. Vorsichtig hielt er das Licht über das Loch und die Kerze fing in seiner Hand zu zittern an.
    Als würde man auf einen pechschwarzen Flecken Öl schauen, war weder Tiefe noch wirkliche Oberfläche zu erahnen, denn es spiegelte den Schein der Kerze wieder, aber verschlang ihn auch gleichzeitig. Man hatte das Gefühl, dieser Brunnen führe in die Unendlichkeit, ohne wirklich da zu sein. Blanke Angst kroch in seinen Nacken und ließ seine Glieder taub werden. Mit fahrigen Bewegungen stand er auf. Bei den Göttern, was machte dieses Mädchen dort nur gerade durch? Er wollte sie in seine Arme schließen, ihr tröstend ins Ohr flüstern, sie beschützen. Allem würde er sich in den Weg stellen und selbst den Tod gelassen zu sich winken, wenn er ihr damit nur beweisen könnte, dass er hier war, hier bei ihr.
     
    Ihr Kopf lag unruhig an seiner Brust. Wie eine Höhle hatte er die Jacke um sie gewickelt. Er hielt sie einfach fest, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Er hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und sie wie eine Puppe zu sich hochgezogen und mit allem umarmt, was er hatte. Eine lebende Festung. Vielleicht hörte sie ja seinen Herzschlag, auch wenn er befürchtete, sie könnte daraus etwas lesen, das er lieber verschlossen halten wollte.
    ›Wach bleiben‹, dachte er sich. ›Einfach immer wach bleiben. Du kennst es doch nicht anders.‹ Müde rieb er sich die Augen. Seine Gedanken verloren sich in alten Bildern, von denen er glaubte, sie seien der Erinnerung wert. Aber das waren sie nicht. Nicht alle. Manche dieser Bilder hätte er gern für immer fortgeschickt oder wie einen Feind mit dem Gesicht nach unten im Bach ertränkt, so wie er es schon einmal getan hatte.
    ›Würde es so sein? Würden diese Dinge auf ewig in ihm bleiben?‹ Die Menschen dachten oft, sie seien so stark, so voller Willenskraft. Aber kaum einer von ihnen hatte je einem Mann gegenüber gestanden, der sie dazu gezwungen hatte, als Erster zuzustechen. Sie wussten nicht, wie es sich anfühlt, wenn einem fremdes, warmes Blut ins Gesicht spritzte und man es herunterschluckte, weil man wie wahnsinnig dabei geschrien hatte. Sie wussten es einfach nicht.
    Und so tummelten sich an der Kajütendecke weiter all diese zuckenden Bilder, zwischen den Schatten und Lichtern einer Welt, die er nicht kannte und niemals verstehen würde.
    Allein die Frau in seinen Armen schien die Kraft zu haben, seine Narben so zu berühren, dass sie dabei nicht wehtaten.
    Nilah zuckte und er sah auf sie herab. Ihr Gesichtsausdruck war verwirrt und verängstigt. Furchen erschienen auf ihrer Stirn, als hätte sie etwas erfahren, das sie nicht verstand. Der Krieger traf eine Entscheidung.
     
    Es war schwer das zu tun und etwas zu verlieren, an das man sich so sehr gewöhnt hatte. Er wusste mittlerweile wie sich solch ein Verlust anfühlte, aber er hatte keine Wahl.
    Liran streckte die linke Hand über dem Boden aus und spreizte seine Finger.
    »Du musst mich jetzt verlassen!«, sagte er leise und aus seinen Fingerspitzen wölbte sich der erste Tropfen und fiel dumpf auf den Teppich. Es fühlte sich an, als würde Liran aus sich selbst herausströmen und das tat er ja auch, aber als er den immer weiter wachsenden Fleck ansah, entstand im gleichen Maße eine Lücke in ihm, die er vorher so nicht gekannt hatte. Als er Ihad losgelassen hatte, war das Gefühl des Verlustes nicht so intensiv gewesen wie jetzt. Es war, als würde man das schönste Wort für etwas kennen und im selben Augenblick vergessen. Die Eule aber war ihm

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