Seelenzorn
in ihren Augen und das Stechen in der Kehle waren deutliche Anzeichen, dass sie gleich losheulen würde. Sie hatte geglaubt ... sie war so blöd gewesen, aber sie hatte doch tatsächlich eine Sekunde lang geglaubt...
Sie drehte den beiden den Rücken zu, damit sie sie nicht so sahen. Sie wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen, wünschte, sie müsste jetzt nicht hier sein, sondern könnte in den nächsten Pfeifenraum gehen und den Schmerz in einer dicken Wolke von honigsüßem Rauch ersticken. Sie wünschte, sie könnte einfach alle Pillen in ihrem Döschen auf einmal schlucken und all dem ein Ende machen.
Der Anblick von Lex, der in seinem Wagen vorfuhr, hob ihre Stimmung auch nicht besonders. Und als sie sein Gesicht sah, fühlte sie sich gleich noch mieser.
»Was hast du denn da ...«, setzte sie an - und dann fiel es ihr wieder ein: Terrible hatte ihn k. o. geschlagen.
Aber es sah aus, als hätte er wesentlich Schlimmeres angerichtet. Lex’ ganze linke Gesichtshälfte war verfärbt und angeschwollen, und von dem Auge war fast nichts mehr zu sehen.
»Hey, Tülpi«, sagte er, und Chess zuckte zusammen. Ihr Kosename war das Letzte, was sie jetzt von ihm hören wollte. Vor allem wollte sie nicht, dass Terrible ihn hörte.
Lex bemerkte ihren Blick und sah zu Terrible hinüber, der mit verschränkten Armen und abgewandtem Gesicht dastand. »Der hat mir den Kiefer gebrochen. Alles voller Drähte.«
Oder wenigstens meinte sie das zu verstehen, so schwach und vernuschelt kamen die Worte; außerdem bewegte sich sein Kiefer kein Stück. Kein Wunder, dass er am Telefon so gedämpft geklungen hatte.
»Scheiße.« Als sie die Hand nach ihm ausstreckte, fuhr er zurück. »’tschuldigung.«
Er zuckte die Achseln. »Hab ja immer damit gerechnet, dass es mal so weit kommt, hm? War einfach Pech.«
»Eigentlich nicht.«
»Was?«
»Eigentlich war es kein Pech. Man hat uns - mir, heißt das - eine Falle gestellt. Jedenfalls bin ich mir da ziemlich sicher. Der Typ, der hinter allem steckt, war’s. Er hat Terrible eine Nachricht zukommen lassen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat.«
»Und du wirst wohl auch nicht nachfragen, was?«
»Nein.«
Zusammen mit Lex waren noch einige andere Männer, aus dem Wagen gestiegen, die sich nun mit unbewegter Miene um ihn scharten und Terrible aus schönen, bronzefarbenen Gesichtern musterten.
Weitere Männer trafen ein, die Terrible herbestellt haben musste. Sie taxierten Lex’ Leute mit Blicken wie Kater, die einen Revierstreit austragen.
Da sie das dringende Gefühl hatte, dass es an der Zeit war, zu handeln, versah Chess auch sie schleunigst mit Schutzzeichen. Lex machte ihr dabei ein bisschen Kopfzerbrechen - da sie seine linke Gesichtshälfte nicht berühren durfte, blieb ihr nicht genug Platz für alle Symbole, sodass sie auf Hals und Brust ausweichen musste, während ihr Terribles wütende Blicke Löcher in den Hinterkopf brannten.
Er verabscheute sie. Ja, er begehrte sie immer noch, schließlich war er ein Mann, und Männer vergaßen nicht einfach so, dass sie jemanden ficken wollten. Wenigstens hatte sie diese Erfahrung gemacht. Aber die Freundschaft zwischen ihnen und das Gefühl, dass da noch mehr zwischen ihnen war, etwas, von dem sie nie geglaubt hatte, sie könnte es jemals erleben ... das war weg. Sie konnte von Glück reden, wenn er sich heute Nacht die Mühe machte, sie zu beschützen, weil er es Bump, den toten Nutten und den vermissten Männern schuldig war.
Und Lex? Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Natürlich war ihr völlig klar, was sie eigentlich tun sollte, nämlich Schluss machen. Aber was hätte das jetzt noch gebracht? Damit konnte sie sich Terribles Vergebung bestimmt auch nicht erkaufen.
Und außerdem mochte sie Lex. Vielleicht passten sie nicht in jeder Hinsicht zusammen und vielleicht war ihnen beiden klar, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten - ach, was hieß denn hier vielleicht, sie wussten es beide ganz sicher. Aber er brachte sie zum Lachen und machte sie an, und sie fühlte sich in seiner Gesellschaft ziemlich wohl, weil er keine blöden Fragen stellte oder versuchte, ihr unglaublich tiefsinnige, bedeutsame Gespräche aufzudrängen. In vieler Hinsicht war er der perfekte Beinahe-Lover.
Aber wenn sie ihm nicht den Laufpass gab, bestand nicht die geringste Chance, dass zwischen ihr und Terrible jemals wieder alles in Ordnung kam.
Also blieb sie bei der sicheren, aber ziemlich
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