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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Natürlich. All die Leichen der Vermissten mussten ja schließlich irgendwo bleiben. Und sie hatte sich auch schon gefragt, warum die Mörder die Prostituierten nicht dorthin verfrachtet hatten. Anscheinend waren sie zu sehr damit beschäftigt, die Männer loszuwerden. Der Container war voll bis obenhin.
    Zusammen mit dieser makaberen Erkenntnis traf sie ein schwacher Verwesungsgeruch, der sie lebhaft an die Ereignisse vor ein paar Monaten erinnerte. Sie versuchte, den Gestank zu ignorieren, und zog bei langsamen, gleichmäßigen Rückwärtsschritten weiter ihren Kreis, während sie mit ruhiger Stimme die Formeln wiederholte. Hinter ihr näherte sich schon der Anfang der Salzspur, und sie hatte noch welches. Das Glück hatte sie also noch nicht im Stich gelassen.
    Lex wich ihr nicht von der Seite und beobachtete unablässig wachsam die Umgebung. Das gab ihr Sicherheit. Sie konzentrierte sich ganz auf die Magie und vergaß alles andere.
    Langsam kam es. Es wuchs in ihrem Inneren und in der Luft um sie beide. Der Schweiß lief ihr herab. Ihr Herz pochte, und ihr Körper kribbelte, als wäre die letzte Dosis schon zu lange her. Hätte sie noch etwas im Bauch gehabt, hätte sie es jetzt wahrscheinlich hochgewürgt. Bei jedem Schritt hatte sie das Gefühl, sich durch zähen Schleim vorzuarbeiten, der sich um ihre Beine legte und drohte, sie hinabzuziehen.
    Neben ihrem Herzklopfen und dem eigenen Gemurmel hörte sie schwach die Schreie der Männer, die vor dem Gebäude kämpften. Das war noch ein Problem, das sie ignorieren musste, wenigstens, bis sie es endlich durch die Seitengasse geschafft hatte und wieder ins Licht der Straße hinaustrat.
    Überall wälzten und schubsten sich Leiber, und die Luft war erfüllt von Wut und Gewalt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie spürte einen gewaltigen Adrenalinausstoß. Das war nicht gut. Zum Zaubern musste man ruhig und konzentriert bleiben, und in Gegenwart von Geistern irgendwelche Gefühle zu zeigen war sowieso eine ganz schlechte Idee. Vor allem Angst.
    Und Geister gab es hier jede Menge. Entweder waren einige der Hauswächter inzwischen gefallen oder sie hatten weitere Geister beschworen, die an ihrer Seite kämpften, oder beides. Schemen flackerten durch die Menge, verschwanden und materialisierten sich wieder.
    Nicht zum ersten Mal war sie dankbar, dass Fletcher bei ihnen war. Ohne ihn ... ohne ihn hätten sie alle sterben können. Wegen ihr und ihrem Mangel an Weitsicht. Sie hatte ihm zwar etwas Friedhofserde und Eibisch in die Hand gedrückt, aber den anderen auch etwas davon zu geben, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, Das kam dabei raus, wenn man sich von seinen Gefühlen ablenken ließ: andere Menschen starben.
    Lex blieb abrupt stehen und lud die Pistole durch. Chess hob die Hand, fing seinen Blick auf und schüttelte den Kopf. Erst, wenn man sie bemerkte.
    Und das würde noch etwa zehn Sekunden dauern. Ihr blieb kein anderer Ausweg; um den Zauber zu beenden musste sie dem Kampfgetümmel gefährlich nahe kommen.
    Blaue Funken sprühten von ihren Fingern, als sie mit einem hastig in die Luft gezeichneten Symbol versuchte, sich und Lex mit einer Tarnkappe zu versehen. Ob es funktionierte, konnte sie bei all der Energie, die jetzt ohnehin schon durch ihren Körper strömte, nicht mehr beurteilen.
    Sie schafften es bis auf ein paar Schritte heran, dann wurden sie entdeckt. Einer der Wächter wirbelte herum, riss den Mund auf und hob im gleichen Moment die Hände zum Schlag. Mondlicht blitzte auf der Klinge eines Dolchs.
    Chess hatte in der einen Hand das Salz, mit der anderen griff sie nach der Friedhofserde.
    Die Pistole ging los. Als sie den Schuss registrierte, erschien auch schon ein Loch in der Stirn des Wächters, und das Gesicht darunter erstarrte in einem überraschten Ausdruck.
    Der Mann stürzte zu Boden, der Geist fuhr heraus und strahlte eine enorme Wut ab. Chess zwang sich, ruhig stehen zu bleiben und zu warten, bis er nahe genug heran war, um ihn mit der Erde zu treffen.
    Die Atempause dauerte nur eine Sekunde. Mit dem Schuss hatten sie sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Die Kämpfenden wandten sich in Scharen um und kamen auf sie zugestürmt, und alles, was Chess vom Weglaufen abhielt, war das Wissen, dass dadurch nichts gewonnen wäre und sie bloß später wiederkommen müsste.
    Also lief sie Salz streuend weiter, duckte sich hier, schlängelte sich dort vorbei, während ihre Lippen Worte der Macht formten, die, ausgepumpt und panisch,

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