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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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optische Täuschung. Keine Geister. Irgendwie hatte sie tief im Inneren das Gefühl, dass das wichtig war, dass es etwas zu bedeuten hatte, aber sie konnte sich nicht erinnern, was. Ihr blieb nichts übrig, als sich vor der kommenden Nacht zu fürchten.
    Sie huschte um die Ecke und riskierte einen Blick ins Wohnzimmer. Einer der Bediensteten baute einen Beamer auf, ein schickes kleines Modell, glatt, elegant und ganz offensichtlich sehr teuer. Für die Pyles nur das Beste. Wenigstens waren sie auf diese Weise beschäftigt; hoffentlich kam niemand auf die Idee, nach ihr zu sehen.
    Jeder Schritt fühlte sich an, als müsste sie einen Berg erklimmen, aber zum Glück sah sie niemand. Die Wände neigten sich und der Boden wankte. Sie bekam keine Luft. Als sie die Treppe geschafft hatte, klebte ihr das Shirt an der Brust.
    Welches Zimmer hatte man ihr noch gleich zugeteilt? Es gab hier so viele Türen, so unendlich viele, und sie wusste nicht mehr, ob ihr Zimmer sich hinter der zweiten auf der rechten Seite oder hinter der dritten befand. Spielte das eine Rolle? Wie viele Türen gab es überhaupt?
    Auf tauben Füßen taumelte sie den Flur entlang und öffnete die nächstbeste Tür. Wenn sie sich irrte, irrte sie sich eben. Egal.
    Arden Pyle kniete in einem kleinen Badezimmer vor der glänzend weißen Toilette und hielt sich mit einer Hand das helle, schweißnasse Haar aus dem Gesicht. Sie übergab sich. Ein hübscher Vorgeschmack darauf, was Chess heute Nacht erwartete. Für einen verwirrten, bizarren Moment war sie versucht, das Mädchen zu bitten, einfach ein Stück zu rutschen.
    Arden setzte zum Sprechen an, senkte aber erst mal schuldbewusst das Gesicht, bevor sie Chess in die Augen sah. Ein kleiner violetter Fleck guckte aus dem offenen Kragen ihres Bademantels hervor. Es sah aus wie ein Knutschfleck. »Bitte verraten Sie mich nicht«, sagte sie. »Ich hab nur ... bitte sagen Sie es nicht meiner Mutter, ja?«
    Chess nickte mechanisch, drehte sich um und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Bulimie. Eigentlich nicht weiter überraschend. Und auch kein Thema, zu dem sie auch nur entfernt irgendwelche Predigten hätte halten können. Was sollte sie denn sagen? Probier's doch mal mit Beruhigungspillen, die dämpfen den Appetit? Ratschläge bei Lebenskrisen waren wirklich nicht ihre Stärke.
    Ihr Zimmer war das nächste auf der linken Seite. Sie warf sich aufs Bett und wünschte, sie wäre tot.
    Sie war immer noch nicht tot. Die Ziffern auf der Anzeige des Weckers glühten rot und verschwommen in der Dunkelheit. Sie konnte sie nicht erkennen. Konnte sich nicht darauf konzentrieren. Zu grell. Taten in den Augen weh.
    Eine Zentnerlast lag ihr auf der Brust; sie schwitzte darunter. Die Decke. Sie erinnerte sich dunkel, dass sie sich beim letzten Anfall von Kälteschauern darunter verkrochen hatte. Ihr Kiefer schmerzte. Ihre Arme und Beine schmerzten. Ihr Magen war verschwunden und hatte einer Feuergrube Platz gemacht.
    Einer Feuergrube, die nach Aufmerksamkeit schrie. Sie warf die Decke von sich. Oder besser gesagt, sie versuchte es. Ihre Arme weigerten sich, irgendetwas zu werfen. Sie schaffte es gerade mal, der Decke einen Schubs zu versetzen, wie ein Neugeborenes.
    Der nächste Krampf setzte ein. Sie fiel aus dem Bett und krümmte sich zu einem verschwitzten Häufchen Elend. Das Bad? Wo war das Bad? Es war so dunkel. Der Raum hörte einfach nicht auf, sich zu drehen, sie konnte ihn nicht anhalten, wie bei einer Achterbahnfahrt, aus der man nicht aussteigen konnte. Hilflos. Hoffnungslos. Der Teppich stach ihr wie Stroh in Hände und Knie, zerstach sie, bohrte sich in sie hinein. Bis sie es ins Badezimmer geschafft hätte, wäre sie blutüberströmt. Falls sie es überhaupt schaffte.
    Ihr Mund füllte sich mit beißendem, bitterem Speichel. Sie konnte ihn nicht herunterschlucken. Konnte ihn nicht auf den Teppich spucken. Also behielt sie ihn drin. Er war warm und ekelhaft wie ein Mundvoll Urin. Sie machte sich daran, auf allen vieren ins Bad zu kriechen.
    Zu schwach. Sie knickte ein, und ihre Haut brannte, als sie über den Teppich strich. Es war so kalt hier drin, so verdammt kalt, sie hielt es nicht länger aus, sie brauchte ihre Pillen, oh Scheiße ...
    Noch ein Versuch. Schmerz durchzuckte ihren Körper. Sie krümmte sich. Wieder der Magen. Es juckte. Muss das Jucken wegkratzen, machen, dass das Jucken aufhört. Muss die nassen, verfilzten Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen und den Nacken kratzen, die Beine, die

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