Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
Vom Netzwerk:
ihrer Mutter einen vernichtenden Blick zu und trollte sich nur sehr langsam, so als hoffte sie, die Erwachsenen würden sie vielleicht vergessen, sodass sie doch noch bleiben könnte.
    Die Stimmung im Raum schlug um, unterschwellig, aber Chess spürte es. Es lag eine Spannung in der Luft, dass sie ganz kribblig wurde. Ob sie auch gehen sollte?
    Terrible zog die Augenbrauen und ganz leicht die Schultern hoch. Es lag bei ihr; sie konnte bleiben, wenn sie wollte, oder auch ins Nachbarzimmer gehen.
    Irgendwie kam es ihr nicht wie eine so gute Idee vor, jetzt zu bleiben. »Katie, darf ich mitkommen?«
    Katie nickte, und ihr neugieriger Gesichtsausdruck verriet Chess, dass sie sich besser auf ein Verhör gefasst machte. Etwa einmal im Jahr schickte die Kirche Ermittler und Vollstrecker in die örtlichen Schulen, damit sie über ihre Arbeit sprachen und sich von den Kindern ausfragen ließen. Chess hatte den Verdacht, dass ihr jetzt genau so etwas bevorstand.
    Und so kam es dann auch. Katie stellte ihr Fragen über die Arbeit, wollte, dass sie ihr von einem gruseligen Erlebnis berichtete, fragte, ob Chess irgendwelche Lügner in ihrer Nachbarschaft kenne, ob sie schon mal in der Stadt der Ewigkeit gewesen sei, wie viele Geister sie bereits gesehen habe und ob sie mal ihre Tätowierungen sehen dürfe. Währenddessen drang das gedämpfte Murmeln von Terribles Stimme mal leiser und mal lauter aus der Küche.
    »Ich hätte ja Angst vor einer Tätowierung«, sagte Katie. »Mommy sagt, das tut weh. Onkel Terry hat jede Menge davon, aber er ist ja auch ein Mann.«
    »So doll tut das gar nicht weh. Es piekst nur ein bisschen, aber nicht schlimm.« Das stimmte zwar nicht ganz, aber sie durfte sowieso nicht über das Ritual sprechen - da wurden in einem düsteren Raum Gesänge angestimmt, die Tätowiernadel summte und ringsherum wurden Kräuter verbrannt, während einem die Magie über die Haut strich.
    »Das hat Mommy auch vom Zahnarzt behauptet. Aber dann hat es doch wehgetan. Auch, nachdem sie mir das Gas gegeben haben, damit der Schmerz weggeht. Kennst du das Gas? Es hat sich ganz komisch angefühlt, als ob mein Kopf viel zu leicht wäre.«
    Chess nickte. »Dieses Gas vertrage ich nicht. Ich bin allergisch dagegen.«
    »Echt? Musst du dann niesen?«
    »Nein, mir wird schlecht, und ich kriege ganz schlimme Kopfschmerzen davon ...« Sie stockte. Das war ihr längst entfallen, ihr erster Zahnarztbesuch kurz nach Beginn ihrer Ausbildung. Sie hatte keine Luft mehr bekommen und geglaubt, sie müsse sterben ...
    Genau wie im Haus der Pyles, als sie diesen grauenhaften Gestank gerochen hatte.
    Verdammt, sollte das wirklich schon die ganze Erklärung sein?
    Natürlich. Das Gas raubte den Leuten die Besinnung und machte sie ein bisschen high. Gerade high genug, dass sie weder den Strahl des Beamers noch das Klicken beim Einschalten bemerkten. Gerade high genug, um den Herzschlag in die Höhe zu treiben und den Furchtimpuls zu verstärken. High genug, dass sie ihre Reaktion für Angst hielten und dann wirklich Angst bekamen, wenn sich das Bewusstsein darauf einstellte.
    Das Gas, das bei Zahnärzten verwendet wurde, hatte einen charakteristischen Geruch, der seltsam faulig-süß war, das wusste sie noch. Einen Geruch, den man nur mit einem starken anderen überdecken konnte. Zum Beispiel mit Verwesungsgestank.
    »Chess? Geht’s dir gut?«
    Chess sah das Mädchen an. In Katies großen dunklen Augen stand Sorge und ein bisschen Angst.
    »Alles klar«, sagte sie. »Mir ist nur grad was eingefallen. Aber könnte ich mal kurz euer Badezimmer benutzen?«
    Kaum war sie drinnen, schnappte sie sich ihre Cepts, warf sich ein paar in den Mund und spülte sie runter. Dann war die Heimsuchung im Haus der Pyles also vorgetäuscht. So musste es sein. So wurde einiges verständlich. Deshalb hatten die beiden Geister sie dort nicht angegriffen, und deshalb waren sie ihr auch nicht durch die Tür gefolgt. Deshalb war ihr auch so übel gewesen. Es war ihr noch schlechter gegangen als bei ihrer Begegnung mit dem Traumdieb.
    Aber falls das Gas nicht ganz speziell für sie eingesetzt worden war, dann hieß das auch, dass mindestens einer der Pyles entlastet war. Hatte Kym die ganze Sache eingefädelt, um ihren Mann in Angst und Schrecken zu versetzen - vielleicht, damit er das Haus verkaufte und gemeinsam mit der Familie wieder nach L. A. zog? Oder aus irgendeinem anderen Grund? Steckte Roger dahinter, weil er seine Frau und seine Tochter erschrecken wollte?

Weitere Kostenlose Bücher