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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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am
zweiten Schreibtisch im Zimmer niedergelassen hatte und mit zusammengekniffenen
Augen auf einem Blatt herumkritzelte. Dabei hob er immer wieder den Kopf und
taxierte Jo.
    Wolfs Interesse war geweckt. Er trat näher – und war
bass erstaunt. Bei dem »Gekritzel« handelte es sich zweifellos um ein Porträt.
Eines, das Jo verblüffend ähnlich sah.
    Hat Talent, der Junge, dachte Wolf bei sich und wollte
bereits wieder den Raum verlassen, als sich der Zeichner von seinem Stuhl erhob
und Wolf die Rechte entgegenstreckte.
    »Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.«
    Wer zum Teufel war der Kerl?
    Ach ja, der Praktikant. Wieder so einer, der ihm die
Zeit stehlen würde. Niemand konnte von ihm verlangen, dass er darüber in
Begeisterung ausbrach. Entsprechend mürrisch erwiderte er den Gruß.
    »Kommissaranwärter, männlich, zweiundzwanzig Jahre –
mehr weiß ich im Augenblick nicht von dir. Vielleicht verrätst du mir deinen
Namen?« Dabei starrte er auf seine buschigen Augenbrauen, die in seltsamem
Kontrast zu den hellblauen Augen standen.
    Während er noch überlegte, wo er diese Kombination
schon einmal gesehen hatte, legte Jo den Hörer auf und gesellte sich zu ihnen.
    »Chef, darf ich bekannt machen: Das ist Arne Rösch.
Kommt aus Freiburg und will uns während der nächsten drei Monate ein bisschen
über die Schulter schauen.«
    »Nennen Sie mich einfach Terry. Sie sind also
gewissermaßen mein Coach«, fuhr Arne Rösch an Wolf gerichtet dazwischen und
steckte sich den Bleistift hinters Ohr.
    Wolf lag eine geharnischte Antwort auf den Lippen,
doch er schluckte sie hinunter. »Wieso Terry?«, fragte er stattdessen.
    »Also, das ist, weil ich nicht mehr aus den Fängen
lasse, was ich mal gepackt habe, sagt man … Wie ein Terrier, sie verstehen?«
    »Verstehe«, meinte Wolf und nickte ernsthaft. Dann
wandte er sich an Jo. »Was Neues?«
    »Nichts, Chef. Mir reicht bereits das Alte. Aber der
Tag ist ja noch jung.« Sie sah auf seine Beine. »Ts, ts, ich seh schon, Ihre
Hose ist mal wieder in die Kette geraten, und das trotz der Klammern! Wie haben
Sie das wieder hingekriegt? Sie können die Dinger jetzt übrigens abnehmen.«
    »Sieht nicht besonders sexy aus, was?« Wolf bückte
sich schnaufend und zog die Klammern ab, wobei er einen schnellen Seitenblick
auf den Praktikanten warf. »Was gibt’s da zu grinsen?«, fragte er und fügte
übergangslos hinzu: »Ich hoffe, du kannst mit dem Computer umgehen, wir müssen
zusammen ein Protokoll aufsetzen.« Schon wollte er in sein Büro vorausgehen,
als ihn ein Zuruf von Jo zurückhielt.
    »Geht leider nicht, Chef. Gerade hat die Wapo
angerufen. Sie sollen sofort rauskommen, der Kahn würde gehoben – was immer das
heißen soll.«
    »Keine Einzelheiten?«
    »Nein. Sie wüssten Bescheid.« Als Wolf nur schweigend
auf seiner Unterlippe kaute, hakte sie nach: »Hängt das mit der Sache auf dem
See zusammen?«
    Statt auf ihre Frage einzugehen, wurde Wolf plötzlich
geschäftig. »Später«, winkte er ab und ging zur Tür. »Ihr kommt mit«, rief er
über die Schulter zurück. »Die Einzelheiten erzähl ich euch auf dem Weg zur
Schiffsanlegestelle.«
    Entgeistert blickte Jo ihm nach. »Ja, aber … was ist
mit den laufenden Fällen?«
    »Bleiben erst mal liegen. Ich werde von unterwegs aus
Sommer verständigen. Zuvor will ich noch der Spurensicherung Beine machen, die
müssen draußen zwei Leichen in Empfang nehmen und das Wrack untersuchen. Auf
geht’s!«
    Er verließ den Raum und hastete den Flur entlang. Jo
und Terry angelten rasch ihre Jacken, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
    »Cool! Ist ja voll die Action hier«, rief Terry
grinsend. Der Einstand schien ganz nach seinem Geschmack.
    Karin
Winters Prophezeiung war inzwischen bittere Realität geworden. Kaum hatten sie
die Schiffsanlegestelle an der Promenade erreicht, wurden sie von wartenden
Reportern umringt. Blitze zuckten, Fragen hagelten auf sie nieder, eine
Fernsehreporterin moderierte vor laufender Kamera ein paar einleitende Worte,
um sich anschließend mit ausgefahrenen Ellenbogen und mit dem angenommenen
Recht des Quotenstärkeren zu Wolf durchzudrängen. Doch der wehrte ab.
    »Herrschaften, ihr müsst uns Zeit lassen. Wir wissen
im Augenblick nicht viel mehr als ihr. Wartet einfach unsere Rückkehr ab«, rief
er mit erhobenen Händen.
    »Gern, wenn Sie uns verraten, wo Sie bei Ihrer
Rückkehr anlegen werden«, versuchte jemand in seinem Rücken die Rufe zu
übertönen. Wolf, dem die Stimme bekannt vorkam,

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