Seepest
der
Giftmüllmafia zu denken. Ohne die Winter und ihre unkonventionellen
Recherchemethoden hätten sie da ganz schön alt ausgesehen. Sie betrieb ihr
Geschäft höchst professionell. Nicht ein einziges Mal war sie ihm in den Rücken
gefallen, hatte sich peinlich genau an alle Absprachen gehalten, selbst dann
noch, als sie mit ihrem Insiderwissen hätte punkten können.
Ein weiteres kam hinzu: Er verhehlte nicht, dass sie
ihn auch als Frau interessierte – nicht nur ihres Äußeren wegen. Lange Zeit
hatte er sich über solche Dinge erhaben gefühlt. Und doch …
Und doch was? Spätestens an diesem Punkt pflegte er
dichtzumachen. Erotische Anwandlungen in seinem Alter? Lächerlich! Die Winter
hatte wahrlich andere Qualitäten. Mutterwitz zum Beispiel und Schlagfertigkeit,
gepaart mit Tatkraft und Stehvermögen. Und überhaupt …
Ein plötzliches Kreischen riss Wolf aus seinen
Gedanken. Der Kran hatte das Wrack auf der stählernen Plattform abgesetzt, die
das Heck des Bergungsschiffes an drei Seiten überragte. Schon eilten Männer in
blauen Overalls herbei, schoben Balken und Keile unter den zerstörten Rumpf, um
ihn abzustützen und seine Lage zu stabilisieren. Vorsorglich wurden die Seile
noch nicht gelöst, vermutlich, um eine Gefährdung der Ermittler von vornherein
auszuschließen.
Wolf sah sich nach seinen Leuten um. Schließlich entdeckte
er Jo und den Neuen an der freien, dem Bergungsschiff abgewandten Reling des
Polizeikreuzers. Sie waren den soeben eingetroffenen Kriminaltechnikern
behilflich, ihre umfangreiche Ausrüstung an Bord zu hieven. Mit einem Wink
teilte er Jo seine Absicht mit, auf das Bergungsschiff hinüberzuwechseln.
Als
Erstes kletterten die beiden Kriminaltechniker der Polizeidirektion Überlingen
in das Wrack – selbstverständlich unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen,
schließlich musste eine weitere Beschädigung des Bootsrumpfes ebenso vermieden
werden wie die Veränderung oder gar Zerstörung wichtiger Spuren. Es folgte ein
Sprengstoffexperte des LKA , der erst wenige Minuten
zuvor an Bord gekommen war.
Eine gute halbe Stunde lang bewegte sich das Trio in
den weißen Einweganzügen – im Fachjargon treffend »Schneemänner« genannt –
scheinbar ziellos hin und her. In Wahrheit nahmen sie jeden Winkel, jedes
Trümmerteil sorgsam in Augenschein, fotografierten oder machten Einträge in
Listen, tauschten sich halblaut untereinander aus oder teilten in kurzen
Abständen ihre Beobachtungen einem Diktiergerät mit. Mehrfach war Wolf nahe
daran, die Kollegen zu sich heranzurufen und zu einer ersten Einschätzung zu
bewegen oder wenigstens die beiden Leichname aus dem Wrack herausschaffen zu
lassen, um endlich mit seinen eigenen Ermittlungen starten zu können.
Stattdessen war er zur totalen Untätigkeit verdammt. Je mehr Zeit verstrich,
desto zermürbender empfand er das Nichtstun. Alle paar Minuten rückte er sein
Barett zurecht oder ertappte sich dabei, wie er die Packung mit den Gitanes aus
einer Tasche zog, nur um sie nach kurzem Zögern wieder einzustecken, frustriert
und von Mal zu Mal mürrischer. Nicht viel anders erging es dem ungeduldig auf
und ab gehenden Horvath und dem dick eingemummten Brandsachverständigen. Wie
Wolf warteten sie auf die ersten Ergebnisse der Schneemänner und darauf,
endlich selbst das Wrack betreten zu können.
Selbst zwischen Jo und Terry wollte keine Unterhaltung
zustande kommen, weshalb es die beiden vorzogen, in regelmäßigen Abständen das
Wrack zu umrunden und hin und wieder einen Blick in dessen Inneres zu werfen.
Irgendwann drehte Jo allein ihre Kreise, Terry war und blieb verschwunden.
Dann endlich schien Bewegung in die Szene zu kommen.
Nach kurzer Beratung entstiegen die drei Ermittler dem Wrack, voran Mayer zwo,
der Leiter der Überlinger Spurensicherung. Er schleppte zwei rote
Kunststoffboxen mit sich, die er vorsichtig auf dem Boden abstellte, bevor er
die Umstehenden heranwinkte.
»Ich brauche wohl nicht zu betonen«, begann Mayer zwo,
»dass die Ergebnisse, die wir jetzt vorstellen, nur vorläufig sind. Sämtliche
Spuren müssen noch gründlich gegengecheckt beziehungsweise im Labor
kriminaltechnisch untersucht werden. Zunächst zur Ursache der Explosion. Es hat
sich gezeigt, dass die Detonation durch eine Sprengladung herbeigeführt wurde.
Unter anderem haben wir Reste eines Hartschalen-Handkoffers gefunden, der
vermutlich als Sprengstoffbehälter fungierte.«
Wolf zog die Luft zwischen den Zähnen ein. Er hatte
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