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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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er sich davon, dass Jo die Wahrheit sagte, und sank wie ein angeschlagener Boxer auf seinen Stuhl zurück. Dann blätterte er hektisch einige Seiten nach hinten und verkündete schließlich mit grauem Gesicht: »Bei Maroni dasselbe. Drei Anträge. Identische Zeiträume. Wie ist das nur möglich?«
    »Sehen Sie mal auf die Unterschrift«, forderte Wolf ihn auf.
    Grabert senkte den Blick und wurde noch blasser. »Keller. Die Formulare tragen Kellers Unterschrift.«
    »Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    »Nein. Ich versteh das nicht.«
    »Ist Regierungsdirektor Keller im Haus?«
    »Ja, er ist da. Wollen Sie ihn sprechen?«
    »Wir bitten darum.«
    Grabert griff zum Telefon. Als sich Keller meldete, bat er ihn, kurz zu ihm zu kommen. Die Anwesenheit der Polizisten erwähnte er mit keinem Wort.
    Wenig später betrat der verantwortliche Leiter der  JVA  das Büro. Grabert bot ihm seinen Platz an, doch Keller winkte ab und setzte sich neben Wolf.
    »Was führt Sie diesmal zu uns, Herr Wolf?«, fragte er ihn, nachdem Grabert ihm auch Vespermann und Jo vorgestellt hatte.
    »Nun, die Sache ist ein wenig delikat, um es vorsichtig auszudrücken. Wir haben Grund zu der Annahme, dass zwei Ihrer Häftlinge in eine Straftat verwickelt sind.«
    Keller lächelte. »Natürlich – warum sonst sollten die Männer hier sein?«
    »Die Straftaten, um die es geht, wurden in den letzten sieben Tagen begangen. Von Luca Maroni und Samuel Bullock.«
    Schlagartig verdüsterte sich Kellers Miene, als hätte man einen Schalter ausgeknipst. »Reden Sie von Straftaten hier in der Anstalt?«, fragte er.
    »Nein, sie wurden außerhalb begangen. Drüben am Nordufer, genauer gesagt: Im Raum Überlingen.«
    »Unmöglich. Uns ist noch nie ein Häftling entwischt.«
    »Die beiden haben die Anstalt ganz legal verlassen, Herr Keller. Sie haben Freigang bekommen.«
    »Quatsch … ausgerechnet die beiden!«, entfuhr es Keller. »Bei ihrem Strafmaß bekämen sie niemals einen Freigang genehmigt.«
    »Das hab ich den Herrschaften auch schon gesagt, Herr Keller«, bekräftigte Grabert. »Nur beweisen unsere Akten leider das Gegenteil. Aus unerfindlichen Gründen liegen von Maroni und Bullock je drei bewilligte Anträge auf Freigang vor.«
    »Und? Wer hat die unterschrieben?«
    Grabert zögerte mit seiner Antwort. »Sie, Herr Keller.«
    »Ich? Ausgeschlossen. Darf ich mal?« Er streckte die Hand aus.
    Wortlos reichte Grabert seinem Vorgesetzten den aufgeschlagenen Ordner über den Tisch.
    Eine geschlagene Minute lang starrte Keller auf die Formulare, blätterte vor und wieder zurück, nahm sie einzeln heraus, um sie näher an die Augen zu führen und die Unterschrift auf Echtheit zu prüfen, bevor er den Ordner zurückschob. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Ich versteh das nicht … ich versteh’s einfach nicht.«
    »Sie haben die Unterschriften geprüft, Herr Keller. Was sagen Sie dazu?«, fragte Wolf.
    Keller zuckte mit den Achseln. »Sieht so aus, als seien sie von mir. Mir ist das Ganze ein Rätsel.«
    »Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass Sie eine Fälschung ausschließen?«, fragte Wolf etwas geschraubt.
    »Jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit. Allerdings habe ich diese Anträge nicht bewusst unterschrieben, das steht fest.«
    »Sie denken, man hat sie Ihnen in betrügerischer Absicht untergeschoben? Aus welchem Grund? Haben Sie vielleicht sogar einen konkreten Verdacht?«
    »Ich kann nur wiederholen, mir ist das alles ein Rätsel.«
    »Wir holen auf alle Fälle ein grafologisches Gutachten ein«, erklärte Wolf. »Lassen wir im Moment aber mal die Echtheit der Signaturen außen vor – wie wird so ein Freigang ganz konkret abgewickelt?«
    Keller überlegte kurz, dann lächelte er mechanisch. »Ich kann mir denken, worauf sie hinauswollen, aber ich muss Sie enttäuschen: Sobald ein genehmigter Antrag vorliegt, geht die Sache ihren Gang, eine weitere Prüfung auf Rechtmäßigkeit findet nicht statt. Das ist ein eingespielter Automatismus, wissen Sie.«
    »Sie meinen also, die beiden können sich zu den angegebenen Zeiten tatsächlich außerhalb der Anstalt aufgehalten haben?«
    »Ja.« Keller nickte. »Was haben denn …« Er musste schlucken. »Was wird den beiden denn vorgeworfen?«
    Wolf unterrichtete ihn über die vorliegenden Anschuldigungen.
    »Mord also. Und jetzt? Was haben Sie vor?«
    »Ich will Ihnen nichts vormachen, Herr Keller, aber bei der Schwere der Taten, die Bullock und Maroni zur Last gelegt werden, muss ich Sie bitten,

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