Seerache
Allerdings muss erst mal der Sturm etwas abflauen. Die Wapo will aber versuchen, Sahins Leichnam noch in der Nacht mit Tauchern hochzuholen. Sobald sie es geschafft haben, bekommen wir Bescheid. Spusi und KTU sind informiert.«
»Können wir davon ausgehen, dass es sich bei dem Maskierten um denselben Mann handelt, der in der Nacht von Samstag auf Sonntag Sahin entführt hat?«
»Vermutlich ja. Genau wissen wir das aber erst, wenn es uns gelingt, auf der Jacht DNA -Spuren von ihm sicherzustellen. Nach Fingerabdrücken brauchen wir erst gar nicht zu suchen, der Mann trug nämlich Handschuhe.«
Jo horchte auf. »Und trotzdem hat die Winter das Fehlen des kleinen Fingers bemerkt?«
»Warum nicht? Wenn einer unmittelbar vor deinen Augen herumhantiert, dann kannst du das vermutlich gar nicht übersehen. Am besten setzt du dich gleich morgen früh mit den Kollegen aus Markdorf in Verbindung. Deren Bericht über die vereitelte Entführung erscheint mir … nun, wie soll ich sagen … ein bisschen dürftig. Vielleicht erfährst du ja etwas, was uns hilft, den Mann zu identifizieren. Nimm außerdem Sahins Hotelsuite gründlich unter die Lupe. Ich will wissen, ob Kunstgegenstände fehlen oder sonstiger Besitz. Und ob ausnahmsweise mal ein PC oder ein Notebook da ist. Gut wäre auch sein Terminkalender, Bankunterlagen, Schriftwechsel, das ganze Programm eben. Ach ja, nimm am besten einen Kollegen von der Spusi mit. Und verhaltet euch diskret, nicht, dass wir noch Ärger mit dem Hotel bekommen.«
»Ich mach so was ja nicht zum ersten Mal«, entgegnete Jo spitz. »Nach meiner Erfahrung sind neben dem Empfangschef übrigens vor allem Zimmermädchen und Putzfrauen ergiebige Quellen. Natürlich versuche ich, die ebenfalls anzuzapfen. – Ja, diskret, ich weiß, Chef.«
»Das will ich hoffen. So, und jetzt bist du dran. Gerd und ich sind ganz Ohr. Erzähl uns, was du weißt.«
»Entschuldigt, mir ist da etwas nicht ganz klar«, fuhr Vespermann dazwischen. »Wieso war diese Winter eigentlich hinter Sahin her?«
»Gute Frage.« Wolf, inzwischen halbwegs geneigt, dem Neuen seine aufmüpfige Art zu vergeben, nickte anerkennend. »Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach«, fuhr er nachdenklich fort, nachdem er einen Schluck aus seiner Tasse genommen hatte. »Aus unerfindlichen Gründen ist ihr aufgefallen, dass die Zahl der Selbstmorde in Überlingen in jüngster Zeit überproportional angestiegen ist. Im Zuge ihrer Nachforschungen hat sie von der Nachbarin eines der Toten ein paar interessante Details aufgeschnappt. Der Mann soll finanziell am Ende gewesen sein, woran ein früherer Angestellter der Spielbank Lindau – dort pikanterweise für die Finanzen zuständig – angeblich nicht ganz schuldlos war.«
»Und dieser Mann war Sahin?«
»So ist es. Alles Weitere könnt ihr euch selbst zusammenreimen, und wer die Winter kennt, weiß auch, dass sie keine halben Sachen macht. Sie hat Sahin ausfindig gemacht und wollte ihn dazu befragen, doch der Maskierte war bereits an Bord. Na ja, das Ende kennt ihr ja.«
Das Telefon auf Wolfs Schreibtisch begann schrill zu klingeln. »Gerd, gehst du mal bitte ran?«, bat Wolf. Vespermann stand auf und nahm das Gespräch an.
»Noch Kaffee, Chef?« Jo schüttelte die Kanne, die sich als leer erwies. »Ich mach gern noch mal frischen, wenn Sie mögen.«
»Nee, danke, lass mal, mir reicht’s für heut.«
»Mit einem Pastis und einer Gitanes kann ich leider nicht dienen«, raunte sie ihm zu und grinste dabei. »Aber vielleicht tut’s ja auch ein Wasser?«
Wolf sah sie forschend an, bevor er die Frage verneinte. »Womit hab ich mir so viel Fürsorge bloß verdient? Dabei dachte ich schon, du wärst stocksauer, weil dir wieder mal ein Date durch die Lappen geht.« Dabei schielte er auf seine Uhr.
Resigniert winkte Jo ab. »Daran hab ich mich längst gewöhnt. möchte nur wissen, ob ich meine Überstunden jemals abfeiern kann.«
Vespermann hatte zu Ende telefoniert und setzte sich wieder zu Ihnen an den Tisch. »Ein Kollege aus Konstanz«, erläuterte er. »Sie haben das Motorboot gefunden, mit dem sich der Maskierte abgesetzt hat. Lag an einem unzugänglichen Strandabschnitt nahe Wallhausen. Keine Auffälligkeiten.«
»Soll ich die Spusi verständigen?«, fragte Jo.
Wolf winkte resigniert ab. »Da der Täter Handschuhe trug, dürfte das kaum was bringen. So, jetzt aber zu dir, Jo. Du hast die Konten von Hauschild und Hörmann überprüft?«
»Ja, hab ich …«
Ehe Jo
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