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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Oben auf dem Murligan Hill sah es aus wie auf dem Mond. Winter kurbelte das Fenster halb herunter und hörte den Wind. Es war deutlich kälter geworden. Die Straße war schmal. In der schnell einfAllenden Dämmerung wirkte sie wie etwas, auf das man sich nicht verlassen konnte.
    Hier oben war ein besonderes Gefühl von Dunkelheit, das mit dem See zusammenhing, aber es könnte auch anders sein, vielleicht rührte dieser Eindruck von der nackten, rauen Landschaft.
    Der See kehrte dieser Landschaft den Rücken zu. Auf der Westseite konnte man das Wasser durch einen bequemen, kurzen Spaziergang erreichen, hier müsste man von dreißig Meter hohen scharfkantigen Klippen springen.
    Sie parkten an dem kleinen künstlichen See, Loch Tarff. Er starrte wie ein blindes Auge zum dunkler werdenden Himmel empor.
    Sie stiegen aus. Winter fröstelte in seinem Mantel. Er sah, dass Steve auch fror.
    Hier unbekleidet zu liegen, das hätte auch für sie den Tod bedeutet. Nackt in dieser Nacktheit zu sein.
    Macdonald studierte die Skizze, die Craig angefertigt hatte. Craig hatte sich angeboten mitzukommen oder jemanden zu schicken, der beim Auffinden der Leiche dabei gewesen war, aber sie hatten es abgelehnt.
    Macdonald zeigte nach links über die unbewegte Wasseroberfläche. Sie gingen durch zähes Gras über einen kleinen Hügel und hinunter in eine Senke, die flach und breit war.
    »Hier hat er gelegen.« Macdonald kauerte sich hin.
    »Und bis hierher ist er also gegangen«, sagte Winter. Er schaute über Loch Tarff. Links konnte er den lächerlich schmalen Weg und ein Stück Wasser vom Loch Ness sehen, der jetzt genauso schwarz war, wie der Himmel bald sein würde.
    »Das ist nicht bewiesen«, sagte Macdonald, der immer noch in der Hocke saß. »Sie haben seine Kleidungsstücke von Borlum Hill bis hier herauf gefunden, aber wir wissen nicht, ob er sie selbst dort abgelegt hat, oder?«
    »Nein.«
    »Wir wissen jetzt, dass noch jemand anders mit ihm in Fort Augustus war.«
    »Wissen wir das?«
    »Das war Axel Osvald, der neben Johnson im Auto gesessen hat.«
    »Es könnte wer weiß wer neben ihm gesessen haben«, sagte Winter.
    Und Johnson kann wer weiß wer gewesen sein, dachte er.
    Macdonald grunzte etwas und änderte die Haltung, blieb aber hocken.
    »Was hast du gesagt, Steve?«
    »Glaubst du an das hier?«
    »Wie meinst du das?«
    »Dass es ein Verbrechen ist.«
    »Ich hoffe, es ist kein Verbrechen«, sagte Winter.
    Macdonald grunzte wieder. Vielleicht war es etwas Gälisches. Er richtete sich auf. Es war, als ob die Dunkelheit jetzt mit einer Geschwindigkeit von zweihundert Kilometern in der Stunde fiel. Winter konnte nur noch Steves Zähne und seine Kopfform erkennen. Steve murmelte etwas und drehte sich zum Land um, zu den Monadhliath Mountains. Auf der anderen Seite der Bergkette lag Aviemore, das Skiparadies. Aber hier gab es kein Paradies, nur Wind und Kälte. Winter spürte, wie seine Nasenspitze kalt wurde. Auch seine Finger wurden kalt. Er hatte keine Handschuhe.
    »Warum dieser Ort?«, sagte Macdonald jetzt wie zu sich selber. Er ging zurück zum Wagen, rasch.
    »Es ist ein Verbrechen«, sagte er, als sie beim Auto ankamen. »Die Frage ist nur, welcher Art.« Er öffnete die Autotür. »Es kann schlimmer sein, als wir geglaubt haben.«
    »Du brauchst nicht laut zu denken, Steve«, sagte Winter und stieg auf seiner Seite ein.
    Angela kam aus dem Bad. Winter lag quer über dem Bett, den Kopf in einem unbequemen Winkel geneigt.
    »Ist das Akrobatik?«, fragte sie.
    »Ich brauch Blut im Gehirn«, sagte er.
    Sie setzte sich auf die Bettkante.
    »Beim Essen hast du etwas mitgenommen gewirkt.«
    »Ach?«
    »Eigentlich ihr beide, Steve und du, wenn ich ehrlich sein soll.«
    Winter hob den Kopf und richtete sich auf.
    »Wir haben es ja schon erzählt. Es war ein sonderbares Gefühl da oben in den Bergen.«
    »Mhm.«
    »Es tut mir Leid, sollte ich das Essen verdorben haben.« »Nein, nein, es war nett.«
    Winter stand auf, ging zum Spiegeltischchen und goss sich ein Glas Whisky aus der kleinen Flasche ein, die er auf dem Flugplatz gekauft hatte. Er hob die Flasche, aber Angela schüttelte den Kopf.
    Während Winter von dem Whisky trank, einem Aberlour, sah er sein Gesicht im Spiegel. Es wirkte immer noch verfroren, vom Wind auf dem Murligan Hill. Er rieb sein Kinn und bemerkte Angelas amüsierte Miene im Spiegel. Er zog eine Grimasse. Er dachte an den alten Macdonald. Steve hatte Angela und Sarah von ihm beim Essen erzählt und

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