Segeln im Sonnenwind
zutraf. Der Zahlmeister bewahrte jedoch in seinem Safe viele Unzen Gold für uns auf, das größtenteils der Ira-Howard-Stiftung gehörte, teilweise aber auch Brian, Justin und meinem Vater. Die Bank von Frankreich transferierte dieses Gold dann von Cherbourg nach Zürich, und wir begleiteten es.
In Zürich waren Brian und Justin als Zeugen und Kuratoren der Stiftung dabei, als die Fracht geöffnet und gewogen und anschließend einem Konsortium aus drei Banken anvertraut wurde. Die Stiftung nahm nämlich Theodores Warnung sehr ernst, daß Mr. Roosevelt den Dollar abwerten und es für ungesetzlich erklären würde, daß amerikanische Staatsbürger Gold besaßen.
»Justin«, fragte ich, »was passiert eigentlich, wenn Gouverneur Roosevelt nicht für das Präsidentenamt kandidiert? Oder es zwar tut, aber nicht gewählt wird?«
»Gar nichts. Die Stiftung würde es nicht betreffen, aber hast du vielleicht dein Vertrauen in Ted verloren? Auf seinen Rat hin sind wir auf der Woge des Marktes mitgeritten und haben unser Geld rechtzeitig herausgezogen, ehe der Kollaps eintrat. Jetzt ist die Stiftung sechsmal so reich wie ein Jahr zuvor, nur weil sie sich ganz auf Teds Vorhersagen verlassen hat.«
»Oh, sicher glaube ich an Theodore! Ich habe mir nur Gedanken gemacht.«
Mr. Roosevelt wurde gewählt, und er wertete tatsächlich den Dollar ab und erklärte es für ungesetzlich, daß Amerikaner Gold besaßen. Die Aktiva der Stiftung waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon seinem Zugriff entzogen, ebenso mein eigenes Nummernkonto. Ich griff nie darauf zurück, erfuhr aber von Briney, daß es nicht ungenutzt blieb. Mit Hilfe »meines Geldes« machte er weitere Gewinne.
Brian war inzwischen anstelle von Mr. Chapman Kurator der Stiftung geworden; Chapman mußte das Komitee verlassen, nachdem er sein eigenes Vermögen beim Börsencrash verloren hatte. Ein Kurator unserer Stiftung mußte verschiedene Bedingungen erfüllen, und eine davon war, daß er in der Lage sein mußte, Geld zu machen.
Justin war mittlerweile als Nachfolger von Judge Sperling Vorsitzender des Komitees und dessen Geschäftsführer geworden. Sperling hatte die Neunzig überschritten und wollte jetzt nicht mehr so hart arbeiten. Als wir nach Kansas City zurückkehrten, bezogen Justin und Brian ein Büro im Scarritt Building, wo sie unter der Bezeichnung »Weatheral und Smith, Investments« firmierten. »Brian Smith & Co.« bezogen ein Büro auf demselben Stockwerk.
Wir hatten nie wieder Geldsorgen, aber im Jahrzehnt der Depression machte es auch nicht richtig Spaß, reich zu sein. Wir bemühten uns, uns den Reichtum nicht anmerken zu lassen. Anstatt uns ein tolles Haus im Country-Club-Bezirk zu kaufen, erwarben wir lieber das gemietete Farmgebäude zu einem sehr günstigen Preis und bauten es um, so daß es unseren Bedürfnissen besser entsprach. In dieser Zeit waren tüchtige Handwerker richtig wild darauf, für Löhne zu arbeiten, für die sie 1929 nur Hohn übrig gehabt hätten.
Die amerikanische Volkswirtschaft stagnierte. Niemand schien den Grund zu kennen, aber jeder, vom Schuhputzer bis zum Banker, wußte eine Lösung, die er gerne ausprobiert gesehen hätte. Mr. Franklin Roosevelt wurde 1933 Präsident, und siehe da, die Banken machten wirklich zu, aber die Smiths und Weatherals hatten noch Geld unterm Kopfkissen sowie gehamsterte Lebensmittel, so daß uns die Schließung der Banken nicht schadete. Die einschneidenden Maßnahmen des »New Deal« – die Bezeichnung des neuen Präsidenten für eine ganze Folge von Patentrezepten aus Washington – schienen dann die Lebensgeister der Nation neu zu wecken.
Rückblickend will mir scheinen, daß die »Reformen« des New Deal keinerlei Korrektur der Wirtschaft mit sich brachten, aber trotzdem möchte niemand gerne Notmaßnahmen abqualifizieren, die den Mittellosen etwas zu essen verschafften. Die ganzen endlosen Programme heilten die Wirtschaft nicht, ja schädigten sie möglicher-weise sogar, aber in Kansas City verhinderten sie während der dreißiger Jahre fast mit Sicherheit den Aufruhr verzweifelter und hungernder Menschen.
Am 1. September 1939 marschierte Nazideutschland in Polen ein. Zwei Tage später erklärten England und Frankreich Deutschland den Krieg. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.
KAPITEL SECHZEHN
DIE SCHRECKLICHEN VIERZIGER
Im Sommer 1940 wohnten Brian und ich in Chicago, 6105 Woodlawn, unmittelbar südlich des Midway. Hinter der Adresse steckte ein großes Mehrfamilienhaus mit
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