Segeln im Sonnenwind
etwas.
Bis zum heutigen Tag bin ich der Überzeugung, daß ein Zungenkuß ein intimerer Vorgang ist als der Koitus.
Bei der Vorbereitung dieser Begegnung hatte ich mich an das eigene Vierzehnte Gebot gehalten: »Du sollst deine geheimen Plätze so sauber wie ein gekochtes Ei halten, damit du in der Kirche nicht stinkst.« Was mein urwüchsiger Vater durch die Bemerkung ergänzt hatte: »… und um die Liebe deines Mannes zu behalten, vorausgesetzt, du fängst einen ein.« (Ich hatte ihm gesagt, daß ich darauf schon von selbst gekommen war.)
Sich wirklich sauber zu halten, und das in einem Haus ohne fließend Wasser, dafür aber mit reichlich Kindern, ist gar nicht so leicht. Ich hatte mir allerdings schon seit einigen Jahren, seit Vater mich entsprechend gewarnt hatte, Abhilfe geschaffen – zum Beispiel, indem ich mich in Vaters Operationszimmer heimlich und zusätzlich wusch. Eine meiner häuslichen Pflichten bestand darin, jeden Morgen und jeden Mittag einen Krug mit heißem Wasser ins Operationszimmer zu bringen und ihn auch zwischendurch bei Bedarf aufzufüllen. Das versetzte mich in die Lage, bei mir selbst Waschungen vorzunehmen, von denen Mutter nichts wußte. Mutter glaubte zwar daran, daß »Sauberkeit gleich nach Frömmigkeit« kommt, aber ich wollte nicht riskieren, daß sie mich dabei ertappte, wie ich mich auch an Stellen wusch, die zu berühren ich mich eigentlich hätte schämen sollen. Mutter war mit zuviel Reinlichkeit an »diesen Stellen« nicht einverstanden, da das zu »unzüchtigem Verhalten« führen konnte. (Und das kann es tatsächlich!)
Am Festplatz angekommen, ließen wir Chucks Pferd und Einspänner in einer der großen leeren Scheunen stehen – das Pferd mit einem Futtersack voller Hafer, damit es zufrieden war – und kletterten dann in den Kampfrichterstand. Ich ging voraus, die hintere Treppe hinauf, dann über eine senkrechte Leiter zum Dach der Haupttribüne und durch eine Falltür auf den Boden des Kampfrichterstandes. Ich raffte die Röcke, ehe ich vor Chuck auf die Leiter stieg, und ergötzte mich selbst an dieser skandalösen Zurschaustellung. Oh, Chuck hatte meine Beine schon gesehen – aber Männer gucken ja immer mal gerne.
Sobald wir innerhalb des Standes waren, befahl ich Chuck, die Falltür zu schließen und eine schwere Kiste voller Gewichte, wie man sie bei Rennen benutzte, darüberzuschieben. »Jetzt kann niemand mehr herauf«, sagte ich vergnügt. Ich drehte mich um, holte einen Schlüssel vom Haken und öffnete das Vorhängeschloß eines Schrankes.
»Aber man kann uns sehen, Mo! Die Vorderseite steht weit offen!«
»Na wenn schon? Stell dich einfach nicht vor die Richterbank. Wenn du die Leute nicht sehen kannst, können sie dich auch nicht sehen.«
»Mo, bist du sicher, daß du das hier machen willst?«
»Sind wir nicht deshalb heraufgekommen? Komm, hilf mir, die Decke auszubreiten. Wir falten sie so, daß sie eine doppelte Lage bildet. Die Kampfrichter machen das auch auf der Bank so, um ihre empfindsamen Hinterteile zu schonen. Die Decke wird dafür sorgen, daß ich keine Splitter in meinen empfindsamen Rücken bekomme und du keine in die Knie.«
Chuck sagte kein Wort, während wir unser ›Bett‹ bereiteten. Ich richtete mich auf und schaute ihn an. Er sah gar nicht aus wie jemand, der kurz vor einer freudigen Erfüllung stand, nach der er sich schon lange gesehnt hat; er wirkte vielmehr wie ein verängstigter kleiner Junge. »Charles… Bist du sicher, daß du es auch willst?«
Er war verlegen. »Es ist hellichter Tag, Mo. Hier geht es so furchtbar öffentlich zu! Könnten wir nicht ein stilles Plätzchen am Osage finden?«
»Sandflöhe, Moskitos und Bengel, die Bisamratten jagen. Die tauchen bestimmt genau dann auf, wenn wir am intensivsten beschäftigt sind. Nein danke, Sir! Aber Charles, Liebster, ich dachte, wir hätten uns geeinigt. Ich möchte dich bestimmt nicht dazu überreden, etwas Überstürztes zu tun. Würde es dir was ausmachen, die Fahrt nach Butler abzusagen?« (Eine Einkaufsfahrt nach Butler war die Ausrede bei meinen Eltern gewesen, damit ich Charles bitten durfte, mich heute morgen zu fahren. Butler war zwar kaum größer als Thebes, aber man konnte dort viel besser einkaufen. Die Bennett-und-Wheeler-Handelsgesellschaft war sechsmal so groß wie unsere größte Gemischtwarenhandlung. Dort hatten sie sogar Sachen aus Paris auf Lager – behaupteten sie wenigstens.)
»Wieso? Nein, Mo, wenn du nicht hin möchtest.«
»Würde es
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