Segeln im Sonnenwind
mir nicht weh getan, und ich finde eine Untersuchung einfach überflüssig.«
Wir hatten eine höfliche Auseinandersetzung. Vater wies darauf hin, daß ein moralisch eingestellter Arzt nicht die eigenen Familienangehörigen behandelt, besonders nicht die weiblichen. Ich erwiderte, daß ich mir dessen bewußt wäre, daß ich aber andererseits gar keine Behandlung benötige. Und so ging es hin und her.
Nach einer Weile – und nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß Mutter oben war, um ein Nickerchen zu machen – führte mich Vater ins Behandlungszimmer, verschloß die Tür und half mir auf den Tisch. Ich fand mich für die Untersuchung in weitgehend derselben Position wieder, die ich vorher für Charles eingenommen hatte, nur daß ich diesmal lediglich die Pumphose ausgezogen hatte.
Auf einmal bemerkte ich, daß ich erregt war.
Ich versuchte es zu unterdrücken und hoffte, daß Vater es nicht bemerkte. Obwohl ich erst fünfzehn war, war ich doch nicht so naiv, mir bezüglich der ungewöhnlichen und möglicherweise ungesunden Beziehung zwischen uns beiden etwas vorzumachen. Schon mit zwölf hatte ich den Tagtraum von der einsamen Insel gehabt, in dem Vater als der zweite Gestrandete aufgetaucht war.
Ich wußte jedoch auch, wie stark das Tabu aus der Bibel, der klassischen Literatur und dem Mythos war. Und ich erinnerte mich nur allzu gut daran, wie Vater seine Gewohnheit, mich auf den Schoß zu nehmen, radikal eingestellt hatte, sobald bei mir die erste Menstruation eingesetzt hatte.
Er zog jetzt Gummihandschuhe an. Das war eines der Ergebnisse der Reise nach Chicago, deren Hauptzweck nicht darin bestanden hatte, Maureen die Amerika-Ausstellung genießen zu lassen, sondern darin, daß Vater einen Kurs an der Northwestern University in Evanston belegte, um sich in Professor Pasteurs Keimtheorien auf den neuesten Stand zu bringen.
Er hatte zwar auch vorher schon großen Wert auf Wasser und Seife gelegt, seine Einstellung jedoch noch nicht wissenschaftlich begründen können. Sein Lehrer Dr. Phillips hatte 1850 zu praktizieren begonnen und nach Vaters Aussage die Gerüchte aus Frankreich mit den Worten abgetan: »Was kann man schon von einem Haufen Franzmännern erwarten!«
Nach Vaters Rückkehr aus Evanston war ihm nie mehr etwas sauber genug. Er benutzte fortan Gummihandschuhe und Jod, und er kochte und brannte manchmal benutzte Instrumente, besonders nach einer Behandlung von Wundstarrkrampf.
Diese unpersönlichen, klammen Gummihandschuhe kühlten mich wieder ab, aber es war mir peinlich, festzustellen, daß ich ganz naß war.
Ich ignorierte es, und Vater ignorierte es. Wenig später half er mir vom Tisch herunter, drehte sich um und zog sich die Handschuhe aus, während ich wieder in die Pumphose schlüpfte. »Eine gesunde, normale Frau«, sagte er barsch. »Du solltest keine Schwierigkeiten haben, Kinder zur Welt zu bringen. Ich empfehle dir, ein paar Tage lang keinen Geschlechtsverkehr zu pflegen. Ich konnte sehen, daß du eine französische Tasche benutzt hast. Korrekt?«
»Ja, Sir.«
»Gut. Wenn du das weiterhin so machst – und zwar jedesmal! – und bei deinen öffentlichen Auftritten diskret bleibst, solltest du keine ernsten Probleme bekommen. Hmm… Fühlst du dich einer weiteren Fahrt mit dem Einspänner gewachsen?«
»Wieso, natürlich, Sir! Gibt es irgendeinen Grund, warum ich nicht sollte?«
»Nein. Ich erhielt die Nachricht, daß Jonnie Mae Igos jüngstes Kind krank ist. Ich habe versprochen, mich zu bemühen, heute noch zu ihnen hinauszufahren. Würdest du Frank bitten, Daisy anzuspannen?«
Es war eine lange Fahrt. Vater nahm mich mit, um mir von Ira Howard und der Stiftung zu erzählen. Ich traute meinen Ohren nicht… allerdings stammten die Informationen von meinem Vater, meiner einzigen wirklich zuverlässigen Quelle.
Nach einer ganzen Weile sagte ich endlich etwas. »Vater, ich denke, ich verstehe jetzt. Aber wie unterscheidet sich das von Prostitution? Oder tut es das überhaupt?«
KAPITEL VIER
DER WURM IM APFEL
Vater ließ Daisy ein ganzes Stück weitertraben, ehe er antwortete: »Ich nehme an, es handelt sich um Prostitution, wenn du die Definition entsprechend weit dehnst. Es geht dabei auch um Bezahlung, nicht für den Geschlechtsverkehr als solchen, wohl aber für das Ergebnis – ein Baby. Die Howard-Stiftung bezahlt dich nicht dafür, einen Mann von ihrer Liste zu heiraten, und er wird auch nicht dafür bezahlt, dich zu heiraten. Tatsächlich erhältst du sogar
Weitere Kostenlose Bücher