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Seherin von Kell

Seherin von Kell

Titel: Seherin von Kell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Kopf schwebt. Meine Nerven sind nicht mehr das, was sie einmal waren.«
    »Du bist nur manchmal überreizt. Denk doch an die Erwartung, an all den Spaß, den man haben kann, wenn man sich ausmalt, was geschehen könnte.«
    »Du enttäuschst mich, Garion. Ich dachte, du wärst ein netter, vernünftiger Junge.«
    »Was habe ich denn gesagt?«
    »Erwartung! In diesem Fall ist es nur ein anderes Wort für Besorgnis, und Besorgnis ist für niemanden gut! Schon gar nicht, wenn man sich ausmalt, was passieren könnte!«
    »Es ist doch nur eine Art Aufforderung, bereit zu sein, für den Fall, daß etwas geschieht.«
    »Ich bin immer bereit, Garion. Dadurch habe ich es geschafft, überhaupt so lange zu leben. Doch momentan fühlen meine Nerven sich so gespannt an wie eine Lautensaite.«
    »Denk einfach nicht daran.«
    »Ja, natürlich«, entgegnete Silk sarkastisch. »Aber ist das nicht das genaue Gegenteil dessen, was die Warnung bewirken will? Sollen wir nicht darüber nachdenken?«
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Sadi sehr leise zu ihrem Lager zurückkehrte. Er schlich von Zelt zu Zelt und warnte alle.
    »Da draußen ist jemand«, flüsterte er, nachdem er an Garions Zelt gekratzt hatte.
    Garion rollte aus seinen Decken, und seine Hand langte wie von selbst nach dem Schwert. Da hielt er inne. Der alte Goldsucher hatte sie davor gewarnt, Blut zu vergießen. War dies das Ereignis, auf das sie gewartet hatten? Aber sollten sie auf das Verbot achten oder es einer größeren Notwendigkeit wegen übertreten? Doch jetzt war keine Zeit, unentschlossen herumzustehen. Mit dem Schwert in der Hand stürmte Garion aus dem Zelt.
    Das Licht hatte den eigenartigen stahlgrauen Ton, der vom farblosen Himmel kurz vor Sonnenaufgang herrührt. Es warf keine Schatten, und was unter den weitästigen Eichen lag, war nicht so sehr Dunkelheit, denn ein schwächeres Licht. Garion rannte rasch, und seine Füße vermieden fast ohne sein Zutun die vielen Blätter und die geknickten dürren Äste und Zweige die auf dem Boden dieses uralten Waldes verstreut herumlagen.
    Zakath stand auf der Erhebung und hielt sein gezücktes Schwert in der Hand.
    »Wo sind sie?« hauchte Garion.
    »Sie nähern sich aus dem Süden«, wisperte Zakath.
    »Wie viele?«
    »Schwer zu sagen.«
    »Versuchen sie, unbemerkt an uns heranzukommen?«
    »Bisher hat es nicht so ausgesehen. Die paar, die wir gesehen haben, hätten sich leicht hinter den Bäumen verstecken können, aber sie schritten unbeirrt durch den Wald.«
    Garion spähte in das heller werdende Licht. Und dann sah er sie.
    Sie trugen alle Weiß – Gewänder oder lange Kittel – und machten nicht die geringsten Anstalten, sich zu verbergen. Ihre Schritte waren entschlossen, trotzdem schien eine gelassene Ruhe von ihnen auszugehen. Und sie kamen in einer langen Reihe, jeder hielt zu seinem Vordermann einen Abstand von etwa zehn Metern. An der Weise, wie sie so im Gänsemarsch durch den Wald schritten, war etwas eigenartig Vertrautes.
    »Ihnen fehlen nur noch die Fackeln«, sagte Silk direkt hinter Garion. Der kleine Mann versuchte gar nicht, leise zu sprechen.
    »Pst!« zischte Zakath.
    »Warum? Sie wissen, daß wir hier sind.« Silk lachte spöttisch. »Erinnerst du dich denn nicht mehr, was auf der Insel Verkat passiert ist?« sagte er zu Garion. »Wir beide sind eine gute halbe Stunde durch nasses Gras hinter Vard und seinen Leuten hergekrochen.
    Und jetzt bin ich absolut sicher, sie haben die ganze Zeit genau ge-wußt, daß wir da waren. Wir hätten bloß hinter ihnen herzumarschieren brauchen, dann wären uns die nassen Füße und Knie erspart geblieben.«
    »Wovon redest du, Kheldar?« erkundigte Zakath sich mit heise-rem Wispern.
    »Es ist eine weitere von Belgaraths Wiederholungen.« Silk zuckte mit den Schultern. »Garion und ich haben so etwas schon einmal erlebt.« Er seufzte tief. »Das Leben wird ziemlich langweilig, wenn sich nichts Neues ereignet.« Dann hob er die Stimme zum Brüllen.
    »Wir sind hier herüben!« rief er den Weißgewandeten im Wald zu.
    »Bist du verrückt?« knirschte Zakath.
    »Wahrscheinlich nicht, aber Verrückte wissen so was selber ja nie, oder? Diese Leute sind Dalaser, und ich bezweifle ernsthaft, daß seit Anbeginn der Zeit irgendein Dalaser irgend jemandem etwas Schlimmes angetan hat.«
    Der Führer des seltsamen Zuges hielt am Fuß des niedrigen Buk-kels an und schob die Kapuze zurück. »Wir haben Euch erwartet«, erklärte er. »Die heilige Seherin hat uns

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