Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
gewahr wurde, zog sie verächtlich die Oberlippe in die Höhe.
Der Baron lief indessen einmal um sie herum, um dann vor ihr stehen zu bleiben. Er beugte sich vor und strich mit dem Zeigefinger über die Kratzer auf ihrer Wange. Missbilligend schüttelte er den Kopf, als sie zusammenzuckte. »Du hattest eine Auseinandersetzung mit einer meiner Mägde. Worum ging es?«, fragte er.
Sie umfasste den Eimer, presste ihn vor ihren Leib und senkte den Kopf. »Es ging um Weibergewäsch, Herr Baron.«
»Ich will wissen, worum es ging.«
»Das waren Lächerlichkeiten …«
»Rede endlich, du blödes Weib, oder verstehst du nicht, was der Baron dich fragt?«, fuhr der Hauptmann dazwischen.
»Wir, sie hat … Sie teilte mir mit, dass sie darauf hofft, bald zu heiraten.«
»Und warum muss man sich darüber in die Haare geraten? Wollt ihr beide denselben Mann?«, hakte der Baron nach.
Catheline starrte den Schlossherren an und nickte.
»Wen wollt ihr beide?«
Ihre Hand hob sich und zeigte auf ihn, Mathis, den Einbeinigen. Leise flüsterte sie: »Den da.«
»Wie ich vernommen habe, hast du die Magd aufs Ärgste bedrängt. Du scheinst Kraft zu haben, denn zwei Männer waren nötig, dich von ihr wegzuzerren. Ist das richtig?«
Nochmals nickte Catheline.
Sie haben sich gestritten, anscheinend die Hand gegeneinander erhoben, begriff Mathis und spürte, dass das schlechte Gewissen ihm Übelkeit verursachte.
»Antworte gefälligst richtig, wenn du was gefragt wirst«, fuhr der Hauptmann Catheline erneut an und schlug sie in den Rücken.
»Ja, so war es.«
Der Baron wiegte den Kopf und rieb sich das Kinn. »Wer sagt uns eigentlich, dass nicht eine Frau für die grausamen Taten infrage kommt, die in letzter Zeit geschehen?«
Der Eimer krachte zu Boden. Ungläubig starrte Catheline den Baron an, dann den Hauptmann. Hilfesuchend glitt ihr Blick zu Mathis, der nicht minder sprachlos war.
»Schau nicht so entsetzt. Eine meiner Mägde wird von dir gewürgt, und kurz darauf ist sie verschwunden. Das weißt du doch, oder? Dass sie verschwunden ist. Mir gibt das zu denken.«
»Herr Baron, bitte …«
Erneut krachte die Faust des Hauptmannes in Cathelines Rücken. »Niemand hat dich aufgefordert zu reden! Schweig gefälligst, bis man dich was fragt.«
Der Baron schüttelte den Kopf. »Nun seid nicht so grob zu ihr«, sagte er zum Hauptmann. Dann seufzte er und lief noch einmal um Catheline herum. »Für heute sind wir fertig mit dir. Wir wissen alles, was wir wissen müssen. Nur dass du dir darüber im Klaren bist: Wenn auch meine zweite Magd tot aufgefunden wird, genau jene, die du gewürgt hast, sehen wir uns wieder, und dann werden wir uns eingehend unterhalten müssen.«
Als Catheline sich bückte, um den Eimer aufzuheben, zitterte ihre Hand.
Unsanft packte der Hauptmann ihren Arm und bugsierte sie hinaus.
Der Baron kam auf Mathis zu. »Hast du es schon gewusst? Dass erneut eine der Mägde verschwunden ist?«
»Nein, es ist entsetzlich. Ich hoffe …«
Der Baron winkte ab. »Ja, das hoffen wir alle. Aber noch einmal zu ihr«, er wies zur Tür, hinter der Catheline geradeverschwunden war. »Sie kannte doch alle Opfer. Wer sagt uns, dass es nicht eine Frau ist, die in Saint Mourelles mordet? Was denkst du?«
Was sollte er darauf antworten? Dass sie eben nicht alle Opfer kannte? Dass sie Soazig, dem Mädchen aus Port-Saint-Luc, sicherlich nie begegnet war? Die Antwort schien der Baron doch schon in seine Frage gelegt zu haben. Mathis räusperte sich, musterte den Baron und konnte sich dennoch nicht vorstellen, dass dieser Mann Teufelsbeschwörungen betrieb. Doch es galt nun, auf der Hut zu sein. Vorsichtig antwortete er mit einer Gegenfrage: »Warum sollte sie das machen?«
»Was machen?«
»All diese Menschen ermorden?«
Der Baron sah ihn mitleidig an. »Ich habe dir ja letzthin gesagt, dass ich momentan nicht weiß, wer mein Freund ist und wer nicht. Vielleicht solltest du auch einmal darüber nachdenken. Wir können nichts und niemanden ausschließen, es gibt genug Menschen, die vom Teufel besessen sind.«
Saint Mourelles
D as Sonnenlicht betonte den Umriss des Mannes, der breitbeinig im Türsturz der Kapelle vor ihnen stand. »Hauptmann Bouchet«, sagte Pfarrer Jeunet müde. »Welch unerwartete Ehre, Euch hier zu sehen. Kommt herein, auch wenn es ein trauriger Anlass ist.«
»Die Magd des Schlosses, die verschwunden ist, wurde gefunden?«, fragte Bouchet, ohne auf die Begrüßung einzugehen, trat beiseite und
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt