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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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zusammen.
    Der Hauptmann lachte auf und ließ so abrupt von ihr ab, dass sie vornüberkippte und ins Stroh fiel. »Du hässliches, dreckiges Weib, was hast du gedacht? Dass ich dich anrühre? Ihr Weiber seid alle gleich. Aber keine Sorge, ich habe genug Männer, die das gern übernehmen. Wir werden jetzt deine Schwester weiter suchen, und wenn wir sie nicht finden, komme ich wieder. Zu dir. Und dann komme ich nicht allein.«

Saint Mourelles
    I rgendetwas stimmte nicht.
    Julien zügelte sein Pferd. Lauschte und hörte nichts. Eine seltsame Stille lag über dem Dorf. Nirgends sah er Frauen, die in ihren Gärten arbeiteten, nirgends waren Kinder, die heransprangen, um neugierig hinter seinem Pferd herzulaufen. Erst jetzt bemerkte er, dass auch auf den Feldern nicht ein Bauer seiner Arbeit nachging.
    Wenige Hufschläge später erreichte er die Kirche, vor der sich alle Bewohner des Dorfes versammelt hatten. Schweigend machten sie ihm Platz, ohne ihn auch nur mit einem Kopfnicken zu grüßen, und musterten ihn, als er absaß und auf die Pfarrei zusteuerte. Die Tür stand, wie auch das Portal der Kirche, offen.
    Für einen Moment blieb Julien stehen und spähte in das Halbdunkel des Hauses hinein. Er hörte den Treibstecken, bevor er den Bauern Mathis sah, der ihn wortlos hereinwinkte.
    Der Pfarrer hockte in der Küche auf einem Schemel und war kreidebleich. Eine der Frauen des Dorfes tupfte mit einem nassen Lappen über seinen Mund, dessen Unterlippe geschwollen war. Sie sah kurz auf, lächelte flüchtig und entblößte mehrere Zahnlücken.
    »Was ist hier los?«
    »Der Baron war heute …«, setzte der Bauer an, brach ab und schüttelte den Kopf. »Ich muss anders anfangen. Eine der Küchenmägde wurde heute tot auf der Wiese hinter der Pfarrei gefunden. Der Baron erschien und wollte den Leichnam abholen, um ihn zum Schloss zu überführen.«
    »Noch eine Tote.« Julien spürte, dass ihn Erbitterung packte, die in ein brennendes Schuldgefühl überging.
    Mathis nickte. »Es kam zum Streit zwischen dem Pfarrerund dem Baron, der davon ausgeht, dass Catheline«, er holte kurz Luft, »dass die Haushälterin von Pfarrer Jeunet sie umgebracht hat.«
    Julien verzog das Gesicht. »Die Haushälterin? Er verdächtigt die Haushälterin?«
    Der Pfarrer seufzte, nahm der Frau den Lappen aus der Hand und presste ihn gegen seine Lippe. »Es hat Streit gegeben zwischen der Magd und Catheline«, nuschelte er durch den Stoff, »und ein fürchterliches Handgemenge. Nun glaubt der Baron, Catheline sei die Täterin. Ich war anderer Ansicht und verließ die Kapelle, und der Baron folgte mir in die Kirche.« Kurz stöhnte der Alte auf, schloss die Augen und fuhr dann fort. »Er war außer sich, zitterte vor Streitsucht und redete wirres Zeug, dass ich das Böse sei. Irgendwann packte und würgte er mich. Obwohl ich mich nicht wehrte, schlug er, als er von meinem Hals ließ, auf mich ein. Dann zerrte er mich zur Kirche hinaus. Ich vermute, er wollte mich mitnehmen.«
    »Er hat Euch in der Kirche angegriffen? Ihr wollt sagen, dass sich der Baron auf geweihtem Boden an einem tonsurierten Geistlichen vergriffen hat?«
    Nun nickten sie zu dritt. »Das Gebrüll war auch vor der Kirche noch zu hören«, fügte die Frau hinzu, und die Zahnlücken in ihrem Mund wurden wieder sichtbar, als die Wut ihr Gesicht verzerrte.
    Julien ließ sich auf die Küchenbank fallen. Die Möglichkeiten, die sich ihm eröffneten, waren so überwältigend, dass er nicht wusste, wo er mit dem Denken ansetzen sollte. »Das ist gut, das ist sehr gut«, murmelte er.
    »Was ist daran gut?«, fragte die Frau erbost.
    Ein Lächeln huschte über Juliens Gesicht. »Ja, es muss befremdlich wirken, aber nun haben wir noch einen weiteren Ansatzpunkt, gegen Amédé de Troyenne vorzugehen. Ich nehmean, er hat sich hier und heute sein eigenes Grab geschaufelt.«
    Jetzt fügten sich seine Gedanken, griffen ineinander wie die Glieder einer Kette und ergaben ein Ganzes: Der Baron hatte einen Geistlichen angegriffen. In der Kirche. Vor Zeugen. Damit wurde alles so einfach. Der Bischof und ich, wir werden ihm eine entscheidende Anklage verheimlichen: die Morde. Erst im Prozess werden wir ihn damit konfrontieren. Bis dahin wiegen wir den Baron in Sicherheit und lassen ihn glauben, dass er sich bei diesem Prozess nur für die Teufelsbeschwörung, die Verletzung der Kirchenimmunität und den Angriff auf einen Geistlichen verantworten muss. Taten, bei denen der Baron davon ausgehen kann, sich

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