Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Treibjagd waren, und ging in die Hocke. Sorgsam klopfte und rieb sie am blauen Samt. »Den Rest werden wir bei der Wäsche entfernen. Soll ich Euch beim Umkleiden behilflich sein?«
»Das ist nicht nötig. Geh dir die Hände waschen, und trinkt auf dieses Abenteuer alle einen Schluck Apfelwein, ja?«
Wie wunderbar einfach das Leben auf diesem Gut war. Das Gesinde hatte sich daran gewöhnt, dass sie gemeinsam mit ihm in der Küche speiste, um Feuerholz zu sparen. Die Mägde und Knechte hatten verstanden, dass es der Gutsherrin darum ging, so wenig wie möglich Umstände zu bereiten. Inzwischen erstarrten sie nicht mehr, wenn sie ihnen begegnete, sondernkümmerten sich zuvorkommend und herzlich. Eigentlich war ihr Gut Lemoine im Ehevertrag als Witwensitz zugeschrieben worden, aber wer sollte sie daran hindern, einfach einige Jahrzehnte früher das zukünftige Leben hier zu beginnen? Warum noch warten?, fragte Bérénice sich und fühlte eine innere Zufriedenheit, als sie sich zu ihrem Gemach aufmachte, um ein neues Gewand anzulegen. Danach würde sie Francine aufsuchen, vielleicht könnten sie gemeinsam ein wenig musizieren oder Schach spielen.
Sie stieg die Treppen ins obere Stockwerk hinauf und bemerkte, dass die Tür zu Francines Gemach nicht geschlossen war. Wütend trat sie ein und sah die Schwester erschrocken zusammenzucken.
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du die Tür geschlossen halten sollst? Die Wärme treibt in den Gang, und wir müssen unnötig …«
Die Stirn runzelnd brach sie ab, als sie bemerkte, dass Francine versuchte, ihre rechte Hand, die einen Brief hielt, hinter den Rücken zu schieben.
»Was hast du da?«
Missbilligend sah die Schwester an ihr herab. Musterte das abgeschabte, alte Kleid samt der Schlammspritzer.
»Findest du nicht, dass du diesen Sack ablegen kannst, nachdem du dich mit den Schweinen gesuhlt hast?«
»Lenk nicht ab. Was hast du da? Was versuchst du vor mir zu verstecken?«
»Das geht dich nichts an, du zänkisches Weib«, sagte Francine und schob sich immer näher in Richtung des Kamins.
»Gerade du musst mich ein zänkisches Weib nennen«, schrie Bérénice. Mit wenigen Schritten war sie neben der Schwester, zerrte ihren Arm hinter dem Rücken hervor und verdrehte ihn. Drehte ihn höher und höher, so wie es die Jungen damals beimSpielen immer wieder mit ihren Armen gemacht hatten, wenn die Erwachsenen nicht in der Nähe gewesen waren.
Drei dicht beschriebene Blätter fielen zu Boden, und Francine trat auf sie, versuchte den Brief mit den Füßen zu zerreißen. »Du brauchst es nicht zu lesen, ich hätte es dir ohnehin erzählt.« Sie keuchte, riss ihren Arm los und blieb auf den Papieren stehen.
Francines Gesichtsausdruck ließ erahnen, dass sie die Wahrheit sprach. Dass es in diesem Brief um Dinge ging, die sie Bérénice zu gerne entgegengeschleudert hätte, um ihre Demütigung zu erleben.
»Der Brief ist von Ludwig. Er hat mitgeteilt, dass er nach Paris aufgebrochen ist, um sich ein Bild der Lage zu machen. Die Gerüchte borden inzwischen über, dass der Aufstand gegen den König unter der Leitung von Johann von Alençon seinen Lauf nimmt. Auch Karl von Bourbon soll sich ihnen inzwischen angeschlossen haben. Seine Majestät sammelt indessen seine Getreuen um sich. Ludwig will in Erfahrung bringen, wie er zu Diensten sein kann. Ohne deinen Mann. Dabei wäre es seine Aufgabe, dem König zur Seite zu stehen.«
»Ich sagte dir bereits, dass ich es begrüße, dass sich Amédé aus dem Krieg heraushält, egal, welcher Art er ist. Seit dem Überfall und Brunos Tod ist er ein kranker Mann …«
»Dein Mann ist nicht krank!«, schnitt Francine ihr empört das Wort ab. »Auch wenn Ludwig jetzt in Paris behaupten muss, dass Amédé noch immer unter den schlecht ausgeheilten Verletzungen des Söldnerangriffs leidet. Lass uns ehrlich sein: Wir wissen beide, dass du schuld bist! Du bist der Grund, dass er schwermütig geworden ist! Du und deine Herzlosigkeit und deine Untreue.«
»Wie bitte?« Einen Atemzug lang nahm Bérénice an, sich verhört zu haben. »Untreue? Wovon redest du da?«
»Spiel nicht das Unschuldslamm. Ich weiß, dass es dir dieser Notar, dieser Weichling des Bischofs, angetan hat. Schon als Jüngling hat er dich angebetet. Ja, ich kann mich sehr wohl erinnern, dass er der Sohn des Pariser Tuchhändlers ist, bei dem wir oft zu Besuch waren. Damals war dieser Hungerhaken Luft für dich, aber jetzt ist er doch recht ansehnlich geworden. Glaube
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