Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
diese Tatsache hat der Baron wohlweislich verschwiegen, so eine Spange vor wenigen Tagen an seinem Umhang ersetzt. Versteht ihr?« Sie sah sich um und wiederholte eindringlich, fast beschwörend: »Gabin hielt eine Mantelspange in der Hand, so eine, wie sie beim Baron verloren ging. Ihr habt Angst vor seiner Rache, wenn man ihm im Prozess nichts nachweisen kann. Aber was geschieht, wenn er der Mörder ist und weiter wütet? Wer wird ihm als Nächstes zum Opfer fallen? Wir müssen uns schützen und dabei auf Gottes Hilfe hoffen. Die Wahrheit wird sich vor einem Gericht Gottes finden. Wir haben keine andere Wahl.«
Cathelines Worte kamen für Mathis Fausthieben gleich, die ihn mit voller Wucht im Magen trafen, der sich schmerzhaft zusammenzog.
Sie war bei Jola gewesen!
Deshalb hatte sie heute nicht einmal einen Gruß für ihn übriggehabt. Jetzt wusste sie es. Nun würde sie, um ihn zu verletzen, noch weniger von ihrer fixen Idee ablassen, den Baron zu verdächtigen, und ihre Schwester hatte diese Haltung noch genährt. Ein Bischof, der anscheinend einer Laune nachging, und eine Magd, die meinte, eine Spange angenäht zu haben. Catheline schien nicht begreifen zu wollen, in welche Gefahr sie ihre Schwester und sich selbst brachte.
Pfarrer Jeunet erhob die Arme und bat, das aufgeregte Flüstern einzustellen. »Ich bitte euch inständig, zur Verfügung zu stehen, wenn der Kommissar wieder im Dorf erscheint. Er wird dann entscheiden, welche Aussagen für den Prozess von Bedeutung sind. Überlasst ihm diese Entscheidung, indem ihr alles erzählt, was ihr gesehen und erlebt habt in den letzten Monaten.«
Die Blicke, die untereinander gewechselt wurden, waren weiterhin voller Zweifel. Es war offensichtlich: Die Angst saß hier bei ihnen, inmitten der Kirche.
Eve drehte sich zu Catheline um, die noch immer im Mittelgang stand. »Du vergisst, dass niemand weiß, ob der Baron für die Taten verantwortlich ist oder jemand anderes vom Schloss. Und denke daran, dass er uns ein guter Lehnsherr ist.«
»Was nützt uns das, wenn wir alle sterben?« Cathelines Ton wurde schärfer. »Pierre und Marcel, du musst sie schützen.«
Sofort umfasste Eve ihre Söhne. »Willst du mir sagen, ich bin keine gute Mutter? Willst du sagen, dass ich nicht auf sie aufpasse?«, schrie sie.
»Nein, ich will«, schrie Catheline zurück, »ich will sagen, dass ihr alle den Baron unterschätzt. Er betreibt Teufelsbeschwörungen. Er ist nicht mehr der gute Mann, der er einmal war, er hat sich von Gott abgewendet.«
Mathis schnappte nach Luft. Die Aufruhr unter den Bewohnern Saint Mourelles glich einem Wirbelsturm, der durch die Enge der Kirche fegte.
»Catheline, du hast gelauscht«, brüllte der Pfarrer und übertönte das Stimmengewirr.
»Ja, Vater Jeunet«, schluchzte Catheline auf und sank auf die Knie, das Haupt gebeugt. »Das habe ich, aber nur Ihr habt versichert, dass Ihr schweigt. Verzeiht mir, ich bin überzeugt, dass jeder wissen muss, in welcher Gefahr wir uns befinden, denn der Teufel ist unter uns.«
Der Pfarrer sah sich um, sein Gesicht war dunkelrot vor Wut. »Jetzt wisst ihr es. Und ich bitte euch inständig, kein Wort darüber zu verlieren. Bitte bedenkt, dass wir den Prozess nicht gefährden dürfen. Und das könnte geschehen, wenn hier Dinge in Umlauf gebracht werden, die der Bischof noch zurückhält. Ich sage es noch einmal: Er weiß, was er tut.«
Mathis sank kraftlos auf seinen Schemel zurück. Es war zu viel auf einmal. Catheline wusste um die Wahrheit, was Ania betraf, und der Baron beschwor den Teufel! Wie sollten all diese Dinge auch in einen Kopf passen?
Er sah zu Catheline hinüber. Ihre Hände hatte sie vor das Gesicht geschlagen, und die Schultern zuckten. Noch nie hatte Mathis sich so weit von ihr entfernt gefühlt. Und noch nie hatte er das dringendere Bedürfnis verspürt, zu ihr zu gehen, sich neben sie zu knien und sie in die Arme zu schließen. Ihr über das Haar zu streichen, die Tränen vom Gesicht zu wischen und zu erklären, dass Ania ihm nichts bedeutete. Dass er gesündigt hatte und um ihre Vergebung bat. Er wollte sie trösten und selbst Trost durch ihre Nähe erfahren. Doch er wusste, sie würde ihn von sich stoßen, und sie würde recht daran tun.
Sie zitterte am ganzen Leib, als sie aus der Kirche kam und zur Pfarrei hinübersah. Wie konnte sie jetzt dort hineingehen und Vater Jeunet gegenübertreten? Catheline schlang die Arme um den Leib und schrak zusammen, als sich Ysa und Marie vor ihr
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