Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
aufbauten. Ysa hatte wieder den schlafenden Luc mit einem Tuch vor ihrem üppigen Busen festgebunden, während die Frau des Schmieds die Arme verschränkt hielt.
»Du hast also gelauscht?«, fragte Ysa.
Catheline nickte und sah unsicher zwischen den beiden hin und her.
»Ich hatte schon oft das Gefühl, dass du lauschst, wenn man beim Pfarrer um ein Gespräch bittet«, sagte Marie.
»Nein, ich lausche nicht immer«, erwiderte Catheline hastig, doch Marie schüttelte den Kopf, dass ihr das verfilzte Haar nur so über die Schultern sprang.
»Ich bin dir so dankbar dafür«, sagte sie, löste die Arme von ihrem Leib und legte eine Hand auf Cathelines Unterarm. »Bist du dir sicher, dass du es richtig verstanden hast? Unser Baron ist vom Glauben abgefallen und betreibt Teufelsbeschwörungen?«
Vor Erleichterung wurde es Catheline warm. Eifrig nickte sie. »Dann verrate ich euch jetzt auch etwas«, sagte Marie und begann mit einem Mal zu flüstern. »Letzthin musste Yann eine Lieferung zum Schloss bringen, irgendwelche Mistgabeln, die er im Stall abliefern sollte. Ich kann euch sagen, dass es ihm schwerfiel, schließlich war das wahrscheinlich Raymonds letzter Gang.«
Luc wachte auf und begann zu quengeln, umgehend steckte ihm Ysa den kleinen Finger in sein Mündchen. Catheline konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als sie sah, wie die winzigen Lippen die Kuppe umschlossen und schmatzend zu saugen begannen.
»Er hat sich getraut, den Knappen, der die Lieferung in Empfang nahm, zu fragen, ob der Baron demnächst Pferde verkaufen wolle. Er könne eines gebrauchen.«
Die Stirn gerunzelt, sah Ysa Marie an, und es war deutlich zu erkennen, dass sie nicht verstand, worauf die Frau des Schmieds hinauswollte. »Beeile dich, der Kleine hat Hunger, ich muss nach Hause, um ihn anzulegen«, drängte sie.
»Der Knappe lachte nur«, fuhr Marie ungerührt fort, »und sagte, dass der Baron niemals Pferde seiner Garde verkaufen würde. Selbst wenn die Gäule steinalt seien, würden sie noch geritten, bis sie zusammenbrechen. Versteht ihr?«
Ysa schüttelte den Kopf, aber Catheline begann zu ahnen, worauf Marie anspielte.
»Yann hat damals Hufspuren entdeckt, die eindeutig den Pferden des Schlosses zuzuordnen waren. Raymond hattedoch den Pferden der Garde in seinem Eifer zu viele Hufnägel eingeschlagen. Als ich Yann drängte, er solle das Vater Jeunet erzählen, sagte er stets, dass der Baron sicherlich Pferde verkauft habe. Somit wären die Hufspuren wertlos, glaubte er. Aber nun wissen wir, dass von diesen Pferden niemals eines verkauft wurde.«
»Ja, aber ist es denn recht, gegen den Baron auszusagen, weil irgendwer eines seiner Pferde nutzt? Das kann jeder vom Schloss machen«, fragte Ysa und rieb sich nachdenklich das Doppelkinn.
»Verstehst du nicht? Die Spange, die Spuren der Pferdehufe und nun noch die Teufelsbeschwörung, die der Baron eindeutig begangen hat? Es passt alles zusammen«, flüsterte Catheline aufgeregt und rang die Hände.
Ysa runzelte die Stirn, und es war unübersehbar, wie es in ihrem Kopf arbeitete. »Ich gebe dir nur zum Teil recht. Es könnte auch der Hauptmann oder sonst wer vom Schloss mit dem Pferd unterwegs gewesen sein. Die Teufelsbeschwörung ist abscheulich, aber sie macht noch keinen Mörder aus dem Baron. Mich interessiert aber nur der Mörder. Den will ich hängen sehen. Und an diesem Punkt gebe ich dir wieder recht: Es ist ein Gericht Gottes, und dort wird die Wahrheit ans Licht kommen. Ich werde aussagen, aber nicht gegen den Baron, sondern für mein totes Kind.«
Schloss Troyenne
W ütend stapfte Jola die Treppe zur Kammer hinauf. Die Baronin hat kein Wasser, und es ist deine Aufgabe, es ihr jeden Abend bereitzustellen, wollte sie Ania entgegenschleudern.Sie aus der Bettstatt zerren, ihr den Krug in die Hände drücken, sie durch die zugigen Gänge jagen und der Schimpftirade der Baronin ausliefern, die soeben wieder zu Höchstformen aufgelaufen war. Mich hat diese Nörglerin angefahren, und ich kann nichts dafür, denn du warst nachlässig, würde sie anfügen. Und wenn Ania Widerworte geben würde, würde sie den Wasserkrug über ihrem Kopf leeren. Verdient hatte sie es, nach dem, was sie Catheline angetan hatte …
Jola hielt inne und kniff die Augen zusammen, die sich an das Dunkel der Kammer gewöhnen mussten. Nur das Hühnchen, wie sie Émelie gern nannte, lag schlafend unter seinem Schaffell. Anias Bettstatt war unberührt. Für einen Moment war sie versucht, das
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