Sehnsucht
Audiogerät und der Fotokamera durch.«
Sie legte die Videokamera behutsam in die Tasche zurück und nahm die 35mm-Kamera heraus. Sam hielt es nicht mehr aus. Er berührte Amys Schulter, bevor sie den Audiorekorder anschalten konnte. »Amy, warte.«
Sie wandte sich zu ihm um. »Was ist denn?«
Er biss sich auf die Unterlippe. »Wieso wolltest du mit mir in ein Team?«
Eine ihrer Brauen wanderte nach oben. »Ich hab's dir doch gesagt: Wir haben bisher noch nie zusammen gearbeitet. Ich dachte, das sollten wir mal tun.«
»Das stimmt, aber das ist doch nicht der einzige Grund. Was steckt dahinter?«
Sie seufzte. »Ich hatte eigentlich nicht vor, es so direkt anzusprechen, aber ich denke, um den heißen Brei herumzureden, macht auch keinen Sinn.« Sie sah entschlossen zu Sam auf. »Ich weiß, dass zwischen dir und Bo was läuft.«
Sams Magen rutschte ihm in die Kniekehlen, obwohl er das eigentlich erwartet hatte. »Wovon redest du?«
»Du weißt ganz genau, wovon ich rede.«
»Erklär's mir doch einfach trotzdem.«
Amy sah ihn wütend an. Er starrte zurück und hoffte, dass sie das Hämmern seines Herzens nicht hören konnte.
»Ich habe beobachtet, wie ihr euch anseht.« Ihre Stimme klang leise und gepresst. »Ich kenne dich nicht gut genug, um deine Gefühle einschätzen zu können. Aber ich kenne Bo… wahrscheinlich sogar besser, als ihm lieb ist. Er ist verletzlicher, als er sich anmerken lässt, Sam. Treib keine Spielchen mit ihm.«
Sam wollte protestieren und beleidigt darauf reagieren, dass sie andeutete, er wäre schwul. Aber anscheinend hatte er sowieso schon verloren. »Was bringt dich zu der Annahme, ich würde ihn auf irgendeine Art ausnutzen?«
»Nichts. Ich habe keinen Grund, das zu denken. Und ich behaupte es auch nicht. Aber Bo ist einer meiner besten Freunde und er ist nicht immer besonders gut darin, auf sich selbst aufzupassen. Ich will einfach nur nicht mitansehen müssen, wie ihm jemand wehtut.«
Sam hielt Amys Blick stand, ohne zusammenzuzucken. »Ich werde dich nicht anlügen, Amy. Ich mag Bo und ich fühle mich zu ihm hingezogen. Aber zwischen uns ist nichts passiert und es wird auch nichts passieren. Wenn Bo jemals verletzt wird, dann nicht von mir.«
Amy nickte und hielt ihren Blick auf Sams Gesicht gerichtet. »Danke, dass du ehrlich zu mir bist. Ich weiß das zu schätzen.«
Sam schob die nagenden Schuldgefühle von sich, die seine eigene Lüge in ihm verursachten. Es war nur ein Kuss.
»Es wäre mir lieber, wenn das unter uns bliebe, ja? Ich bin noch nicht bereit dazu, allen zu erzählen, dass ich schwul bin.«
»Kein Problem.« Ein breites Lächeln erschien auf Amys Gesicht. »Und nur damit du es weißt, ich habe Bo dasselbe gesagt wie dir. Dass er mit dir keine Spielchen spielen soll.«
Sam atmete ein paar Mal tief durch. »Wieso sollte er das tun? Er ist hetero. Ganz zu schweigen von seiner Ehefrau .«
Amy wurde plötzlich still. Sam konnte den Kampf sehen, der sich in ihren Augen abspielte.
»Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen«, sagte sie leise. »Bo ist sich nicht immer darüber bewusst, wie andere die Dinge, die er sagt oder tut, interpretieren. Und jetzt lass uns weiterarbeiten.«
Sie drehte sich weg und schaltete den Audiorekorder ein. Sam begann pflichtbewusst damit, das EMF-Gerät und die Temperaturlevel zu überwachen. Er achtete auf Fluktuationen, die sie als Antworten auf Amys laut ausgesprochene Fragen werten könnten. Er war dankbar für die Routine der Untersuchung, die den Aufruhr in seinem Kopf beruhigte. Amy hatte nichts gesagt, womit er nicht schon vorher gerechnet hatte. Aber die Gewissheit, dass sie Bescheid wusste, hatte ihn härter getroffen als gedacht.
Sie beendeten die Untersuchung, ohne ein weiteres Wort zu wechseln. Sam beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Amy die Ausrüstung abschaltete und zusammenpackte. Sollte sie an seinen guten Absichten zweifeln oder doch wütend auf ihn sein, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken.
Ich werde ihm nicht weh tun , schwor sich Sam, als sie die Stufen hinauf ins Tageslicht erklommen. Aber ich werde die Wahrheit erfahren.
Er verdiente es, zu wissen, wie Bos Gefühle für ihn wirklich aussahen – auch wenn er sich noch nicht ganz sicher war, ob er die Antwort schon vertrug.
***
Zurück im Haus deponierte Sam die Bänder und Ausrüstung an ihrem jeweiligen Platz und ging dann direkt ins Obergeschoss. In seinem Zimmer schnappte er sich ein Handtuch und schaffte es, ungesehen den Gang
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