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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Bruder der ermordeten Edda Lou und somit Austins Sohn, war das letzte, was er auf der Plantage brauchen konnte. Aber der Junge wich seinem Blick nicht aus. Und aus seinen Augen sprachen soviel Hoffnung, Verzweiflung und kindliche Unschuld.
    »Sag mal, kannst du einen Traktor fahren?«
    Cys Kehle schnürte sich zusammen. »Jawohl, Sir.«
    »Kannst du auch Stiefmütterchen von Unkraut unterscheiden?«
    »Ich denke ja.«
    »Und kannst du einen Nagel in die Wand hauen, ohne dir auf den Finger zu klopfen.«
    »Meistens«, sagte Cy mit zitternden Lippen.
    »Weißt du, für die Feldarbeiten brauche ich eigentlich niemanden, aber was mir fehlt, ist ein Mann für alle Gelegenheiten, so eine Art Faktotum. Traust du dir das zu?«
    »Ich… mache alles, was Sie wollen.«
    »Bist du mit vier Dollar die Stunde einverstanden?« Tucker zündete sich bedächtig eine Zigarette an und tat so, als hätte er das ehrfürchtige Seufzen nicht gehört. »Darüber hinaus kriegst du von Delia täglich gegen Mittag ein warmes Essen. Du mußt es nicht runterschlingen, aber ich erwarte von dir, daß du auf die Uhr siehst und nur die Zeit berechnest, die du tatsächlich gearbeitet hast.«
    »Keine Sorgen, Mr. Longstreet, ähh… Mr. Tucker. Ich werde Sie bestimmt nicht betrügen.«
    »Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen.« Der Junge war ganz und gar nicht wie die anderen Familienmitglieder. »Wenn du willst, kannst du morgen anfangen.«
    »Morgen in der Früh bin ich da! Und ic h… Aber morgen… das heißt…«
    »Ach ja, richtig, morgen ist ja Edda Lous Beerdigung. Weißt du was, du kannst heute schon was für mich erledigen, und am Mittwoch fängst du richtig an, einverstanden?«
    »Ja, Sir, sehr gerne. Und… danke!«
    »Schön, dann komm mal mit.«
    Tucker erhob sich und führte den Jungen über die Terrasse und den grünen Rasen zu einem Schuppen. Die Tür ging mit einem gräßlichen Knarzen auf. »Die kannst du bei Gelegenheit ölen«, meinte Tucker geistesabwesend. Er war schon lange nicht mehr in diesem Schuppen gewesen. Der modrige Torfgeruch weckte tausenderlei Kindheitserinnerungen in ihm. Seine Mutter hatte den Torf immer für den Garten verwendet.
    Das, was Tucker suchte, stand am anderen Ende gegen die Wand gelehnt. Grinsend zog Tucker sein altes Zehngangrad heraus. Die Reifen waren platt, die Ketten hatten Öl dringender nötig als die Türangeln, und der Sitz war mit einer dichten Staubschicht bedeckt, aber ansonsten mußte es noch fahrtüchtig sein. Tucker erinnerte sich, wie er als Junge damit nach Innocence gefahren war – schon damals war er gerast, die Sonne im Rücken und das ganze Leben vor sich.
    »Das sollst du putzen und herrichten.«
    »Jawohl, Sir.« Ehrfürchtig strich Cy über die Lenkstange. Er hatte auch einmal ein Rad gehabt, ein klappriges Ding, das er gegen eine handgeschnitzte Flöte eingetauscht hatte, doch in einem Tobsuchtsanfall hatte sein Vater es demoliert.
Das wird dich lehren, dein Vertrauen in weltliche Güter zu setzen!
    »Und danach sollst du es für mich in Schuß halten«, fuhr Tucker fort. »Ein gutes Fahrrad ist wie…« Er biß sich auf die Zunge. Fast hätte er›wie eine schöne Frau‹gesagt. »… Wie ein Pferd. Muß regelmäßig geritten werden. Wär ganz gut, wenn du damit jeden Tag in die Arbeit und heimfahren würdest.«
    Cy schnappte aufgeregt nach Luft. »Ich soll auf Ihrem Rad fahren? Meinen Sie wirklich?«
    »Kannst du denn nicht radfahren?«
    »Doch… aber ich weiß nicht, ob sich das gehört.«
    »Es gehört sich auch nicht, daß du jeden Tag zwanzig Meilen läufst und vor meiner Tür in Ohnmacht fä llst. Hör zu: Ich habe das Rad, aber ich benutze es nicht mehr. Wenn du für mich arbeiten willst, kannst du mir nicht gleich beim ersten Auftrag widersprechen, kapiert?«
    Der Junge benetzte sich die Lippen. »Nein, Sir. Es ist bloß wegen meinem Daddy. Wenn er was merkt, kriegt er einen Anfall.«
    »Du bist doch ein aufgeweckter Kerl. Da wird dir sicher ein Versteck in der Nähe von eurem Haus einfallen.«
    »Da wäre vielleicht der Durchlaß, der unterirdische Kanal, in der Dead Possum Lane. Jim und ich haben da immer heimlich gespielt, weil der Bach ja sowieso meistens ausgestrocknet ist.«
    »Sehr schön. Wenn du Werkzeug brauchst, findest du es im Schuppen. Ansonsten brauchst du nur Delia oder mich zu fragen. Schreib dir die Arbeitszeit auf. Am Freitag wird der Lohn ausbezahlt.«
    Cy sah Tucker beim Davongehen nach. Dann widmete er sich dem staub- und

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