SehnSucht - Erotischer Roman: Erotischer Roman (German Edition)
ist!«
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Sprach man in Chicago von der El, bezog man sich auf die Chicago Elevated, die S- und U-Bahnen des öffentlichen Verkehrsnetzes. Niemand benutzte den langen Namen, nicht einmal Touristen.
Um nach dem Brunch bei Anne nach Hause zu kommen, nahmen Emma und Muriel die Red Line der El, die Chicago von Süd nach Nord durchquerte. Emma wohnte in Buena Park, das noch weiter nördlich hinter Old Town lag. Was wochentags nur zur Rush Hour üblich war, galt für Sonntage rund um die Uhr: Die Bahn platzte beinahe aus den Nähten, und so standen sie für ein paar Stationen dicht aneinandergedrängt. Emmas Nähe machte Muriel nichts aus, doch sie mochte es nicht, wenn andere ihr so nahe kamen. Sie konnte die sich vermischenden Gerüche nicht ausstehen. Also schmiegte sie sich von hinten an Emma, die sich an einer Metallstrebe festhielt, legte das Kinn auf ihre Schulter, schloss die Augen und dachte sich all die Menschen in der S-Bahn weg.
Glücklicherweise stiegen viele im Loop aus. Es wurden sogar Sitzplätze frei. Sobald sie saßen, wollte Emma wissen, was nach dem Besuch im Club geschehen war. Muriel versorgte sie mit ein paar Details, doch ging dabei nicht allzu sehr in die Tiefe.
Nachdem Emmas letzte Beziehung in die Brüche gegangen war, lebte sie ihr Leben ausschließlich nach ihren Vorstellungen. Sie hatte es nicht eilig, einen neuen Partner zu finden, sondern holte erst einmal all das nach, was in der Monotonie des Alltags auf der Strecke geblieben war. Das tat sie nicht unbedingt mit One-Night-Stands und nicht in unüberschaubaren Zahlen. Die meisten ihrer Männer sah sie für mehrere Wochen, bevor sie sie fallen ließ, um frei für Spannenderes zu sein. Ihre weiblichen Reize wusste sie hierbei einzusetzen und konnte kaum über einen Mangel an Angeboten klagen. Geizte sie momentan auch mit Emotionen, schloss sie dennoch nicht aus, dass ihr ein neuer Mr Right begegnen würde.
Wenngleich Emma nicht prüde war, trieben ihr Muriels Schilderungen eine gewisse Röte in die Wangen.
»Du meine Güte«, ächzte sie immer wieder, doch wurde bald nachdenklich. »Ehrlich gesagt, mache ich mir ein bisschen Sorgen«, gab sie schließlich zu.
Obwohl es Muriel rührte, dass ihre Freundin sich um sie sorgte, war es das Letzte, was sie hören mochte. Sie wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Im Spiegelbild sah sie, dass Emma in einer Geste der Ratlosigkeit die Schultern hob und senkte. »Du kannst nicht ewig so weitermachen. Irgendwann musst du doch mal ...«
»Was muss ich?«, fiel Muriel ihr ins Wort.
»Na ja, an deine Zukunft denken.«
Als Muriel nicht reagierte, überlegte Emma weiter: »So ein Leben wird doch irgendwann ... nun, zumindest in gewisser Weise, unbefriedigend, oder nicht?«
»Bisher nicht, nein.«
»Das kann ich nicht glauben. Was mich betrifft, so komme ich langsam an einen Punkt, wo es mich anzuöden beginnt.«
Es kostete Muriel einige Mühe, den Blick ihrer Freundin zu erwidern, eben jenen, den sie während der letzten Minuten und im immer unangenehmer werdenden Gespräch wie ein kleines Feuer auf ihrer Haut hatte brennen gefühlt.
»Aber ich bin nicht du. Manchmal glaube ich, ich bin nicht einmal ich.« Den letzten Teil bedauerte sie sofort und biss sich auf die Lippen.
»Muriel, du musst ihn endlich gehen lassen!«
»Das habe ich doch, deshalb bin ich hier.«
Emma schüttelte den Kopf, doch schien keine Worte zu finden, in welche sie ihre Gedanken packen konnte. Also schwieg sie.
Vier
Muriel ging davon aus, dass die korrigierte Version ihres Artikels von Leander akzeptiert worden war, denn er sagte nichts Gegenteiliges. Wie nicht selten, wenn etwas gut war, äußerte er sich überhaupt nicht dazu.
Als er eine Minute vor neun ins Büro gekommen war, hatte er eine Brise eisiger Luft hinter sich hergezogen, in der seine miese Laune wie eine Bedrohung waberte. Auf jedem Meter hatte er seinen Guten-Morgen-Gruß geknurrt und dabei geklungen, als wünschte er sie alle zur Hölle. Muriel hatte ihm betont freundlich geantwortet, ihn im Stillen einen Psychopaten geschimpft und sich telepathische Fähigkeiten gewünscht, mit denen sie ihm die Erkenntnis ins Hirn pflanzen könnte, dass sie und die anderen Redakteure nicht von ihm abhängig waren, sondern es sich andersherum verhielt.
Etwa eine Stunde lang arbeitete sie ihre E-Mails ab und suchte ein paar heraus, die für eine Veröffentlichung in der Leserrubrik in Frage kamen. Gerade formulierte sie eine erste Antwort, da erhielt sie eine
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