SehnSucht - Erotischer Roman: Erotischer Roman (German Edition)
Kugelschreiber auf den Tisch und sah zu Muriel, die ihm gegenüber zwischen Emma und Paula saß. Die plötzliche Angriffslust in seinen Augen war ein Vorbote seiner nächsten Worte. »Für deine anderen Berichte ist es okay, aus weiblicher Perspektive zu schreiben, aber für diesen hier musst du versuchen, wie ein Mann zu denken. Bekommst du das auf die Reihe oder nicht?«
Muriel war sich bewusst, dass sie sich innerlich anspannte, doch konnte nicht recht dagegenwirken. Auch Emma bemerkte es und trat sie unter dem Tisch gegen das Schienbein. Statt Leander zu antworten, wollte Muriel ihn fragen, ob er jemals wie eine Frau gedacht hatte, doch sie verkniff es sich und konzentrierte sich auf ihr schmerzendes Schienbein.
»Sicher kann ich das.«
»Schön. Dann gehe ich davon aus, dass ich fortan lediglich Ideen präsentiert bekomme, die ein Kerl haben würde.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Muriel und wünschte, es hätte weniger geknurrt geklungen.
Leander ließ nicht locker. »Es geht nicht darum, dass Mann darüber nachdenkt, was Frau tun würde. Er möchte seinem Antrag den eigenen persönlichen, maskulinen Stempel aufdrücken, sie aber dennoch beeindrucken und überraschen. Er will, dass ihr Antrag sie umhaut.«
»Schon klar!«
Wieso hielt er nicht endlich die Klappe?
Und wieso piesackte er nicht jemand anderen?
Er dachte nicht im Traum daran, sondern betrachtete sie weiter, als lauerte er darauf, dass sie die Flinte ins Korn warf. Wenngleich es nicht leicht fiel, hielt Muriel seinem Blick stand. Sie würde nicht diejenige sein, die zuerst wegsah.
Er war es schließlich, der sich abwandte, indem er seinen Stift aufnahm, auf seine Notizen schaute und wiederum im ganz lässigen Tonfall fortfuhr: »Okay, die Herren vom Sport. Wie weit seid ihr mit Pippin Ferreras?«
***
Brautmodengeschäfte, Kataloge mit Einladungskarten, Testessen im gutbürgerlichen Restaurant, Testhören von Bands, ein Tanzkurs, herzchenförmige rote Papierschnipsel – all das hatten sie sich erspart. Zwei Ringe, eine Kirche, ein Pfarrer, ein paar Gäste, ein Flugzeug und eine Inselgruppe in Ozeanien. Das war der Plan gewesen. Am Ende waren die letzten beiden Punkte weggefallen.
Und durch andere ersetzt worden.
Begonnen hatte es mit Noahs ernster Miene an einem Nachmittag im März. Dem folgten unzählige Besuche bei Ärzten und in Krankenhäusern. Er blieb dort stationär oder wurde mehrmals wöchentlich ambulant behandelt. Immer wieder hörten sie Prognosen, die niemand hören wollte, gepaart mit Fachbegriffen, die niemand verstand. Es gab Hoffnung im Juni, Ernüchterung im Juli. Der August brachte selbst für Louisiana ungewöhnlich heißes Wetter. Muriel hatte nicht mehr atmen können – nicht mehr atmen wollen.
Im September war er einfach gegangen. Zu schnell. Und doch viel zu langsam. Nichts hatte Muriel je so weh getan, wie der Anblick seines Leidens. Nichts hatte sie je so herausgefordert, wie für ihn stark zu sein, egal wie groß ihre eigene Erschöpfung war – nach durchwachten Tagen und Nächten oder dem schlichten Wunsch zusammenzubrechen und nichts mehr zu fühlen. Nichts hatte sie je so viel Überwindung gekostet, wie das Eingeständnis, dass sein Tod nach allem schließlich etwas Gutes war.
Noah hatte sie gebeten, mit ihm an die Westküste zu fahren, nach Oregon, und es dort als legalen, ärztlich assistierten Suizid zu Ende zu bringen – nicht um seinet-, sondern um ihretwegen. Doch abgesehen davon, dass dies nicht ohne Weiteres innerhalb von so kurzer Zeit umzusetzen gewesen wäre, hatte Muriel sich nicht überwinden können. Schon gar nicht ihretwegen.
Am Ende des Monats hatte sie seine Hand gehalten, als er seinen letzten Atemzug getan hatte. Sie hatte seine Augen geschlossen, deren starrer Blick auf ihrem Gesicht festgefroren war.
***
Muriel überzog die Mittagspause um eine Stunde. Wieder am Platz holte sie ihre Notizen hervor und legte eine neue Datei an, in welche sie die Ideen zu den Heiratsanträgen übertrug und Stichpunkte für die Texte machte.
Wie so oft rauschten die Stunden davon. Nur mit halbem Ohr hörte Muriel, wie sich ihre Kollegen nach und nach in den Donnerstagabend verabschiedeten, sich auf ein Glas Wein oder zu einer After-Work-Party verabredeten.
»Ding Dong«, raunte Emma an ihr Ort und grinste, weil Muriel sich erschreckte.
»Du spinnst doch ...«, murrte sie und musste dennoch lachen.
»Ich bin dein Feierabendwecker und möchte dich wissen lassen, dass Janis und ich nachher
Weitere Kostenlose Bücher