SehnSucht - Erotischer Roman: Erotischer Roman (German Edition)
gekleidet – wie so häufig. Allerdings war sein Anzug um ein paar Nuancen dunkler als Muriels Kleid. Darunter trug er ein weißes Hemd und einen silbergrauen Schal, der zum einen der Farbe ihrer Garderobe sehr ähnlich war, zum anderen den Ton seiner eisigen Augen spiegelte. Einen ebenfalls gewohnten Anblick gab seine Frisur ab. Anders als sonst schien er sie allerdings nicht gedankenverloren zerzaust, sondern einige Zeit investiert zu haben, um den dunklen Haaren einen unordentlichen Look zu verpassen. Gleichermaßen ungewohnt war sein Duft. Zwar trug Leander immer Parfüm, zog meist jedoch einen eher dezenten Hauch hinter sich her. Mit einem Atemzug, den sie als Hier-sind-wir-also-Seufzer tarnte, atmete Muriel nun die Nuancen von Zitrus und Sandelholz ein.
»Du siehst sehr hübsch aus«, sagte Leander, als der Wein gebracht worden war und bescherte ihr damit die zweite Überraschung. Schließlich hatte Muriel nicht damit gerechnet, dass er irgendetwas anbringen würde, geschweige denn, dass er sich für das Kompliment eines solchen Adjektivs bediente.
»Danke, du siehst ebenfalls gut aus«, gab sie schnell zurück.
»Hast du dich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet, heute Abend Spaß zu haben?«
Überraschung Nummer drei: Er wollte tatsächlich mit ihr kommunizieren. Da galt es, angemessen zu reagieren, denn nach wie vor stellte die Veranstaltung eine Pflicht für Muriel dar, die einfach nur erledigt werden wollte.
»Ich denke, es wird recht amüsant«, sagte sie also. »Es ist einige Zeit vergangen, seit ich zuletzt auf einem ähnlichen Event war.«
»Wie lange denn?«
Sie rechnete nach. Während ihrer Zeit beim Musikmagazin hatte sie eine ganze Reihe Veranstaltungen besucht, auf denen im Musikbusiness angesiedelte Promis zusammenkamen, wie beispielsweise Preisverleihungen und Benefizgalas. »Etwa drei Jahre. Allerdings war ich dort nie zum Vergnügen. Es war immer Arbeit, war der Background auch einer, der grundsätzlich eher zu mir passte.« Von plötzlich nagenden Gewissensbissen überrumpelt, dachte Muriel an ihre erste Reaktion auf Leanders Einladung. »Wie du dir vielleicht denken kannst, bin ich nicht gerade fashion-vernarrt, aber dass ich nicht begeistert auf deine Bitte, dich zu begleiten, reagiert habe, lag vor allem daran, dass ich nicht nach New Orleans wollte.« Abermals innehaltend, grübelte sie nach einer Formulierung, die dieses Statement begründen und dennoch keine weiteren Fragen zulassen würde. »New Orleans gehört zu den Dingen in meinem Leben, mit denen ich abgeschlossen habe.«
Seinen Blick auf ihr ruhen lassend, wählte Leander wieder einmal den Mute-Modus. Muriel hatte sich bereits abgewandt und beobachtete die im Weinglas aufsteigenden winzigen Bläschen, da sagte er: »Vielleicht hätte ich fragen sollen, statt es als Selbstverständlichkeit zu betrachten, dass du mitkommst.«
Die nächste Frage entstand so abrupt, dass ein Zurückhalten nicht möglich war, wusste Muriel auch, dass sie Gefahr lief, Leander in sein Schneckenhaus zurückzutreiben.
»Wieso begleitet dich nie jemand aus deinem privaten Umfeld? Willst du sie schützen oder haben sie kein Interesse?«
Leander zog eine Braue hoch, nahm sein Glas und trank einen Schluck. Von Sekunde zu Sekunde wirkte er weniger gewillt zu antworten und tat es schließlich doch: »Weil sie zu jung ist. Nur zu gern würde sie mitkommen, aber ich erlaube es nicht.«
Er sprach doch nicht wirklich von einer Freundin, schoss es Muriel durch den Kopf. »Sie ist zu jung?«
»Sie ist erst neun.«
Allmählich dämmerte ihr, dass Leander von seiner Tochter sprach und sie selbst auf sehr dünnem Eis wanderte, das unter ihren Füßen bereits knackte und Risse bildete. Das Thema war zweifelsohne ein heikles, weshalb sie einen Teufel tun würde, weitere Fragen zu stellen.
»In diesem Moment sitzt sie sicher vor dem Fernseher und schaut sich den neuesten Shrek an«, erzählte Leander weiter und zog eine Braue in die Höhe.
Muriel war konsterniert. Sie spürte, wie sich jeder Muskel in ihr anspannte. Ihre maximale Erwartung war eine vage Aussage gewesen, welche den Small Talk aufrecht erhielt. Dies hier war kein Small Talk mehr, und sie hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.
»Wenn ich nicht da bin, kümmert sich der Babysitter um sie.« Als Leander das sagte, lag ein belustigtes Funkeln in seinen Augen, das Muriel noch mehr erschreckte. Sie bevorzugte das kühle Grau. Daran war sie gewöhnt. »Als solchen bezeichne ich ihn
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