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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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zum größten Teil aus Wasser bestand. Ungläubig ging sie mit ihrer Freundin und Mitschülerin Constanze nach dem Unterricht zum kleinen See auf dem Gutsgelände. »Wir sollen fast nur aus Wasser bestehen, aber wir gehen unter, wenn wir nicht schwimmen«, sagte sie und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Glaubst du es nicht?«, fragte die blondzöpfige Constanze.
    Malu zuckte mit den Schultern. »Hier, nimm meinen Arm. Wring ihn aus, als wäre er ein Putzlumpen. Wenn im Arm so viel Wasser drin ist, dann müsste es doch wenigstens tropfen.«
    Constanze tat, wie ihr geheißen. Sie drehte und knetete an Malus Arm, bis ihre Freundin vor Schmerz das Gesicht verzog. Aber es rann kein Wasser aus dem Arm.
    »Was jetzt?«, fragte Constanze mit vor Anstrengung rotem Gesicht.
    Malu rieb sich den schmerzenden Arm. »Wir haben es falsch gemacht. Du musst in meinen Arm hineinschneiden, dann erst kann Wasser kommen.«
    Constanze schürzte die Lippen. »Glaubst du das wirklich?«
    Malu nickte ernst. »Wahrscheinlich ist es bei uns wie bei den Enten. Sie haben eine Fettschicht, damit sie im Wasser nicht nass werden. Das hat mir mein Vater erklärt.« Sie wühlte in ihrer Schulmappe herum und reichte Constanze ein rotes Taschenmesser mit abgebrochenem Korkenzieher, das ihr einer der Knechte geschenkt hatte. »Schneid mir in den Arm.«
    Constanze versteckte die Hände hinter ihrem Rücken. »Das kann ich nicht. Man darf keinem anderen wehtun.«
    »Unfug«, bestimmte Malu. »Das hier ist etwas anderes. Du tust mir ja nicht absichtlich weh.«
    Zaghaft setzte Constanze das Messer an, den Blick dabei zur Seite gewandt, und kratzte ein wenig auf dem Arm ihrer Freundin herum.
    »Fester!«, forderte Malu. »Du musst fester zudrücken. Die Haut muss zertrennt werden.«
    Constanze biss die Zähne zusammen, doch noch immer kratzte das Messer nur ein bisschen an der Hautoberfläche.
    Da riss Malu der Freundin das Messer aus der Hand, atmete tief ein und schnitt sich entschlossen in den Arm, sodass Blut herausquoll. »Jetzt, Constanze! Jetzt musst du den Arm noch einmal wie einen Lappen auswringen«, befahl sie.
    Aber die Freundin warf nur einen kurzen Blick auf die blutende Wunde und lief davon. Malu drückte, knetete und riss nun selbst, aber das Wasser, von dem der Assessor Voigt gesprochen hatte, kam nicht. Seit dieser Zeit glaubte Malu nur das, was sie selbst sehen konnte.
    Zwei Jahre später sollten die Schüler einen Aufsatz über die großen Erfinder schreiben. Johann schrieb über Gutenberg, den Erfinder des Buchdruckes. Ruppert hielt sich selbst für einen Erfinder, der unbedingt Erwähnung finden sollte, und berichtete über eine Spardose, bei der man mithilfe eines Magneten das gewünschte Rubelstück aus dem schmalen Schlitz fischen konnte. Malus Aufsatz handelte vom Erfinder der Nähmaschine. Constanze aber schrieb einen Aufsatz über Otto Kolonsch, den sie für den Erfinder des Parfüms hielt. Das Lachen Voigts gellte ihr noch monatelang in den Ohren und auch das unterdrückte Kichern, als er ihr schließlich erklärte, was der Begriff »Eau de Cologne« bedeutete. Seitdem schwieg Constanze im Unterricht des Assessors, und dieser sah sich schließlich gezwungen, die Väter der Mädchen an einen Tisch zu bringen.
    »Vielleicht«, überlegte er laut, »haben Mädchen mit der Wissenschaft doch nichts am Hut. Da schreiben sie bei wissenschaftlichen Erfindungen über Parfüm und Nähmaschinen!« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Was hat das denn mit Wissenschaft zu tun, frage ich mich? Die Jungen, die haben verstanden, um was es geht. Johann hat über Gutenberg geschrieben, und Ruppert, na ja, über seine eigene Erfindung. Im Grunde hat dieses Thema auch nichts mit Wissenschaft zu tun, aber Kenntnisse darüber kann man immerhin auf einem Gut gebrauchen.« Er seufzte tief.
    Der Pfarrer lächelte. »Ich finde es durchaus richtig, dass sich die Mädchen mit Dingen befassen, die sie in ihrem Leben später einmal gebrauchen können. Nun ja, wenn Sie meine Frau fragen, würde sie Ihnen sagen, dass Parfüm und Nähmaschinen sehr bedeutend und wichtig sind.«
    Auch Wolfgang von Zehlendorf lachte. »Der Pfarrer hat recht, Assessor. Sie wollen bei den Mädchen zu hoch hinaus. Sie denken wie ein Mann, und wie sollten Sie auch anders denken, da Sie ja einer sind. Wir sollten den Mädchen und auch Ihnen die Strapazen des naturwissenschaftlichen Unterrichts ersparen.«
    Er stellte eine Schweizer Bonne ein, die Malu und Constanze in

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