Sehnsucht und Erfüllung
Brianna bald verlieren würde. Aber Kelly zu bitten, sein Leben mit ihm zu teilen, würde für ihn in einer seelischen Katastrophe enden. Früher oder später würde Jason auf der Bildfläche erscheinen, und er, Shane, hätte das Nachsehen.
Als er Kelly im Zelt mitten im Gewühl erspähte, hatte er den Eindruck, dass sie voll und ganz in ihrem Element war, angetan mit weichem Wildleder und femininem Schmuck, umgeben von Malern, Galeristen und Kunstinteressenten. Sie schien sich bestens mit den reichen Leuten zu verstehen. Über kurz oder lang würde auch Jason Collier diese Seite an ihr entdecken und erkennen, wie geeignet sie als Partnerin für seine Kreise war. Eine schöne, gesellschaftsfähige junge Frau. Die Mutter seines Kindes.
Shane küsste Brianna auf die Wange. Sein Schmerz überwältigte ihn fast. Als er auf Kelly zuging, streckte das Baby glücklich glucksend die Ärmchen nach seiner Mommy aus.
“Hallo.” Kelly begrüßte sie beide strahlend und nahm ihre Tochter auf den Arm. Brianna war selig und lächelte ihr süßes Babylächeln, das ihr Grübchen am Kinn noch mehr betonte.
In einem weiteren Monat würde Brianna breit grinsen und bald darauf lachen, aber er würde es nicht miterleben. Brianna Lynn würde ohne ihn aufwachsen.
Shane verspürte einen Kloß im Hals. Brianna war erst zwei Monate alt. Sie würde sich später nicht an Texas erinnern oder an den Mann, der so gern ihr Vater gewesen wäre; den Mann, der kein Anrecht auf sie hatte.
“Wann kannst du eine Pause machen?”, fragte Shane. Er wusste, dass Kelly und seine Mutter einige Kunststudenten als Aushilfen engagiert hatten.
“Bald.” Sie wiegte das Baby, ihre Augen blitzten nur so. “Es macht mir so viel Spaß, Shane. Wir haben jede Menge Bilder verkauft, und die
Wild Winds Gallery
hat mir sogar einen Job angeboten, falls ich mal einen brauche.”
“Das ist ja großartig.” Nein, sie würde keinen Job in Texas brauchen. Jason lebte in Ohio, und er konnte es sich leisten, Kelly eine eigene Galerie zu kaufen, falls sie eine wollte. Morgen oder übermorgen würde Jason anrufen. Das sagte ihm seine Vorahnung überdeutlich.
Als ihre Vertretung erschien, ging Shane mit Kelly zum Picknickplatz, um endlich etwas zu essen.
“Der Freund deiner Mutter ist nett, findest du nicht?”, fragte Kelly, als sie wenig später beim Essen saßen.
“Ja.” Shane musste zugeben, dass der jüngere Geliebte seiner Mom ein netter Kerl war und gut in ihr unkonventionelles Leben passte.
Kelly trank einen Schluck, während sie Brianna fest im Arm hielt. “Aber dein Vater ist auffallend still.”
“Das habe ich auch schon gemerkt.” Und er verstand es. Tom vermisste Linda, und von vielen Leuten umgeben zu sein, verstärkte seine Einsamkeit nur noch. Sein Vater hatte in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft tiefe Gefühle für Kellys Mutter entwickelt. “Dad mag diese Spendenfeste nicht besonders. Wir sind beide keine Partytypen.” Shane aß noch ein Stück von seinem Grillfleisch und schob seine trüben Gedanken energisch beiseite. “Aber du amüsierst dich gut, nicht wahr, Kelly?”
Sie nickte lächelnd, ihre braunen Augen strahlten, ihr Haar schimmerte in der Sonne. “Das Wetter ist perfekt, das Essen köstlich, und die T-Shirts mit meinen Zeichnungen finden großen Anklang. Das macht mich stolz.”
Dazu hast du auch allen Grund, dachte er, nicht minder stolz auf sie. “Und gefällt dir auch die Musik?”
“Ja, ich mag Countrymusic.”
“Dann lass uns tanzen. Zusammen mit Brianna.”
“Sehr gern.”
Gleich darauf wiegten sie sich mit Brianna zwischen sich sanft im Rhythmus der Westernballade. Brianna war schnell an der Schulter ihrer Mutter eingenickt. Shane zog Kelly enger an sich, und wie immer bezauberte ihn ihr zarter Duft nach Wassermelone.
“Kann ich heute Abend zu dir kommen?”, fragte Shane leise.
“Ja”, flüsterte sie.
“Egal, wie spät es ist?”
Diesmal antwortete sie ihm mit einem zärtlichen, verheißungsvollen Kuss.
Shane erwiderte den Kuss voller Sehnsucht. Die Nacht würde ihnen gehören. Und wenn sie vorüber war, würde er Kelly um nichts weiter bitten.
Er würde sie und Brianna als Erinnerung in seinem Herzen verschließen, und wenn Jason Collier anrief, würde er sie beide zu ihm nach Hause schicken. Zurück nach Ohio, wo sie hingehörten.
12. KAPITEL
Kelly war vom Aufräumdienst freigestellt worden, weil Brianna zu Bett gebracht werden musste. An ihren Spielzeugpuma gekuschelt, schlummerte die Kleine
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