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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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von wegen Gespenst, dann dreht sie den Schlüssel im Schloss.
    „Hallo“, sagt die Person vor ihrer Wohnungstür und lächelt sie an. In Alys’ Bauch macht sich ein seltsames Rauschen breit.
    „Eliot“, sagt sie überrascht und etwas überrumpelt. „Hallo, komm rein ...“ Sie macht einen Schritt rückwärts und hält ihm die Tür auf.
    „Danke“, sagt er und tritt über die Türschwelle. Sie kann den bereits vertrauten Duft riechen als er dicht an ihr vorübergeht. Sie weiss immer noch nicht, was es ist, aber es riecht unvermindert gut.
    „Gib mir doch deine Jacke“, sagt sie. Was machst du hier? Sie hatte nicht erwartet, ihn in den nächsten zwei Wochen zu sehen, bis sie die Entwürfe hat. Sie hatte ihm vor zwei Tagen ein Mail geschrieben, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Seine Antwort war mit einem Dank und ein paar humorvollen Sätzen zurückgekommen.
    Er schlüpft aus der Jacke und sie greift danach. Das schwarze Leder schmiegt sich kühl gegen ihre Finger. Sie hängt die Jacke an den Kleiderständer, fühlt Eliots Blick auf sich und blickt wieder auf. „Sorry, dass ich dich einfach so überfalle.“
    „Keine Ursache. My home is your castle“. Sie lächelt und er lächelt zurück. Er sieht auch müde aus , fällt ihr auf. Schatten schimmern bläulich unter seinen Augen, aber vielleicht ist nur das Neonlicht im Flur so gnadenlos. Er sieht aus, als käme er nicht besonders viel zum Schlafen zurzeit, und vielleicht auch nicht zum Essen. Seine Wangenknochen scheinen noch prägnanter hervorzustehen als sonst. Aber auch das könnte sie sich einbilden. Trotzdem sieht er gut aus, entscheidet sie. Müde, aber zufrieden. Als laufe alles nach Plan. Und seiner Ausstrahlung können auch Schatten unter den Augen nichts anhaben. Etwas, das die Luft flirren lässt, wie Mascha es ausdrückt. Es ist auch jetzt wieder da, wenn auch nicht ganz so stark wie wenn er auf der Bühne steht. Dann steht er ja auch mehr unter Strom als jetzt.
    Er war beim Friseur, an den Schläfen ist das Haar kürzer, oben ist es immer noch länger und zu einer Tolle gezähmt. Eben wie Johnny Cash. Es passt zu ihm. Er trägt die dunkelgrauen schmalen Jeans, die er wahrscheinlich x-fach im Schrank hat und ein schwarz-weiss gestreiftes Langarmshirt. Das einzige Zugeständnis an die Kälte draussen ist der schwarze Schal. Er bückt sich jetzt nach den Schnürsenkeln seiner leuchtend roten Chucks. „Lass nur“, sagt sie. „Das Wohnzimmer ist gleich hier“. Er lässt die Schuhe an und folgt ihr. Blickt sich um.
    Wie immer fühlt sie sich etwas seltsam, wenn jemand, den sie nicht besonders gut kennt, bei ihr ist. Alys fragt dann jeweils, was diese Person wohl denken mag. Ob im Kopf Vergleiche angestellt werden. Eine Wohnung ist doch etwas ziemlich Persönliches. Und sie hat nicht wahnsinnig viel Besuch, ausser Mascha. Ihre Eltern fahren nicht besonders gerne in die Stadt, also besucht eher sie ihre Eltern. Und das selten. Ihre Schwester ist acht Jahre jünger und zurzeit für ein Jahr in den USA. Sie hört nicht viel von ihr. Elin geniesst die grosse Freiheit auf der anderen Seite des Atlantiks. Sie waren sowieso nie besonders eng miteinander gewesen. Der Altersunterschied wahrscheinlich. Zudem sind sie zu verschieden. Und die Freunde von früher sind mittlerweile im ganzen Land verstreut. Man sieht sich eher selten und dann auf halben Weg.
    „Setz dich doch“, sagt sie und weist auf die Ledercouch, die so rot ist wie Eliots Chucks und ähnlich abgeschabt. Sie hat schon bessere Tage gesehen, aber Alys liebt die Farbe und das Patina. Es ist ein Sofa mit Charakter, irgendwie. „Endlich bist du wieder da!“, hört sie eine Stimme vom Computer her, eine Mischung aus Ungeduld und Amüsement. „Hast du den Sektenvertreter zum Teufel gejagt?“
    Mascha. Alys hatte sie vor lauter Überraschung oder vor lauter Eliot ganz vergessen. Er hebt den Kopf und sieht amüsiert aus. Alys eilt zum Schreibtisch. „Sorry, ich hatte dich ganz vergessen“. Mascha blickt ihr entgegen, mit einem neuen Espresso in der Hand. „Wir müssen aufhören, ich habe Besuch“. Dann fällt ihr Blick auf das Foto, das neben dem iMac steht, das Fanbild, das Mascha ihr geschenkt hat; Eliot und sie, Arm im Arm im ‚Mon Amour’. Rasch verdeckt sie ihm mit dem Rücken die Sicht darauf und kippt das Bild vorne über, schiebt es dann hinter den Bildschirm. Hoffentlich hat er es nicht gesehen.
    Das war gerade noch rechtzeitig. Jetzt taucht er hinter ihr auf, sie kann seine

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