Sehnsüchtig (German Edition)
auch. Auf Wiedersehen.“
Eliot schwankt zwei Schritte bis zu Alys und küsst sie auf die Wange. „Danke“, bringt er hervor. Sie lächelt zu ihm auf. „Nichts zu danken. Bis übermorgen.“ Er winkt Alys zu und stützt sich wieder auf Irina. „Komm mal rein, du Held.“ Sie stösst mit der einen Hand die Tür auf und bugsiert mit der anderen Eliot ins Haus. Im Flur versucht er mit viel Mühe seine Jacke auszuziehen. Es gelingt ihm nicht. Irina hebt eine Augenbraue. „Lehn dich mal gegen die Wand“, kommandiert sie. Er gehorcht und schliesst die Augen. Sie öffnet den Reissverschluss und schält ihn aus der Jacke. Danach löst sie die Schnürsenkel seiner Chucks. „Linker Fuss heben – Nein, das ist der rechte ...“ Sie greift nach seinem Fussgelenk und hebt es an. Es ist wie Lilli an- oder auszuziehen, nur, dass er 1.85 gross und beträchtlich schwerer ist.
„Danke“, murmelt er. „Es tut mir le ... leid“. Sie blickt zu ihm auf, legt eine Hand an seine Wange. Er schmiegt sein Gesicht dagegen und sie fühlt, wie etwas ihre Brust zusammen zieht, aber auf irgendwie schöne Art. Ich liebe dich. Auch wenn du dich manchmal idiotisch aufführst. So wie heute Morgen. Sie verdrängt den Gedanken. Irgendwann wird sie darüber nachdenken müssen. Irgendwann werden sie darüber reden müssen. Es ausdiskutieren. Eine Lösung finden. Weil es so nicht weitergehen kann.
„Anscheinend hat du den Abend genossen“, sagt sie, aber es klingt nicht vorwurfsvoll. „Nicht wirklich“, entgegnet er. „Ich war den ganzen Abend über – unglücklich.“ Sie studiert sein Gesicht. Für einen Augenblick wirkt er fast nüchtern. „Ich auch ...“, murmelt sie. Er zieht sie an sich und sie ignoriert, dass er wie eine Mischung aus Schnapsladen und verrauchter Stammkneipe riecht. Er beugt sich vor und versucht, sie zu küssen. Sie packt sachte sein Kinn und hält ihn davon ab. „Zähne putzen“, befiehlt sie. Er zieht eine Schnute, was so gar nicht zu den markanten Wangenknochen und generell zu ihm passt. Sie muss lachen. „Komm schon“, meint sie dann und schleppt ihn ins Bad.
*
Ihm ist übel. Er stöhnt und dreht sich auf den Rücken. Das Bett scheint zu schlingern; wie ein Schiff in Seenot. Tageslicht wagt es, sich durch die geschlossenen Jalousien zu zwängen und malt Streifen auf sein Gesicht. Streifen aus Licht. Sie tun weh. Das Licht brennt sich durch seine Lider und malträtiert seinen Kopf. Es pocht und hämmert in seinem Schädel. „Aua“, murmelt er. Er klingt wehleidig, massiert sich die Schläfen, mag aber die Augen noch immer nicht öffnen. Ein grässlicher Kater hält ihn in seinen Krallen. Er ist gross und fett und böse. Reiss dich zusammen, Wagner. Steh auf. Er macht ein Auge auf. Testweise. Geht doch . Dann das andere. Das Bett neben ihm ist leer. Der Wecker sagt ihm, dass Mitte Nachmittag ist. Er setzt sich endlich auf.
Kopfwehtablette. Jetzt sofort. Sein Gehirn scheint nicht im Stande zu sein, komplette Sätze zu bilden. Stattdessen reiht es einzelne Wörter aneinander. Er schwingt die Beine über die Bettkante und steht auf. Er gerät erstmal ins Schwanken. Verdammter Kreislauf. Lass mich nicht im Stich. Er macht einen ersten Schritt. Noch einen. Schliesslich schafft er es bis ins Bad und kramt im Spiegelschrank über dem Waschbecken. Aspirin. Die beste Erfindung der Menschheit direkt nach der E-Gitarre . Zumindest kommt es ihm heute so vor. Erleichtert spült er die Tablette hinunter. Dann nimmt er seine Alkoholausdünstung wahr . Ein Wunder, dass Irina ihn gestern nicht unter die Dusche gescheucht hat. Vielleicht hatte sie Angst gehabt, er würde im Suff ausrutschen und sich den Kopf anschlagen. Lieber nicht. Ich hab mir gestern schon so zu viele Hirnzellen weg gesoffen. Er fragt sich, wie sie neben ihm hatte schlafen können. Wenn ich so gerochen habe. Er erinnert sich an ihren Satz „Du riechst wie eine ganze Schnapsbrennerei, Liebling“. Ansonsten ist der gestrige Abend nur noch in Bruchstücken vorhanden. Vielleicht kommt es später wieder zurück. Vielleicht aber auch nicht. Arme Irina. Arme Alys, die ihn nach Hause gebracht hatte. Sonst wäre er heute Morgen wahrscheinlich irgendwo unter der Bar aufgewacht. Er schüttelt den Kopf ab sich selbst. Er fühlt sich heute beträchtlich älter als 33. So alt wie Methusalem, eigentlich. Er steigt aus seinen Boxershorts und in die Dusche. Danach fühlt er sich besser. Er hat plötzlich Lust auf einen Kaffee und stakst in die Küche.
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