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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte in ihr die Reste zerschmetterter Rosenblüten erkennen. Es wollte nur keiner genau hinsehen.
    So wie auf den Feldern sah es im ganzen Land aus. Lyonesse starb, da machte sich niemand mehr falsche Hoffnungen. Wenn nicht ein Wunder geschah, war bald nur noch totes Gebrösel übrig, das der nächste Regen zu Staub zerschlagen und der nächste Wind verwehen würde.
    Das nächtliche Bild stimmte furchtbar traurig, und diese Tragik machte sogar vor den Wächtern des Bennett-Portals nicht halt. Es lag am nordöstlichen Stadtrand und war wie alle Portale nach einem bedeutenden Rosenzüchter benannt. Noch immer wurde es rund um die Uhr bewacht, aber mehr aus Tradition. Besucher fühlten sich schon lange nicht mehr angezogen von dem sterbenden Königreich am Rande von Fanmórs Hoheitsgebiet.
    Sieben Elfen verrichteten in dieser Nacht ihren Dienst als Wächter. Halbwüchsige aus den umliegenden Dörfern, die sich ein bisschen was dazuverdienen wollten. Früher, als die Zuchtrosen von Lyonesse noch eine lohnende Beute darstellten, waren Krieger an die Grenzen entsandt worden. Nun aber kam nur noch selten jemand ins Land – und wie lange das Bennett-Portal nicht mehr benutzt worden war, erkannte man auf einen Blick: an der rot gepunkteten Marienspinne oben rechts, gleich unterhalb des Torbogens.
    Sie pfiff vor sich hin, während sie an ihrem Netz herumflickte, das bereits ein beachtliches Stück des Eingangs überzog. Es diente dem Fang von Flugsamen. Marienspinnen waren Vegetarier, etwas anderes hätte König Cunomorus auch nicht geduldet. In seinem Reich lebten Unmengen von Schmetterlingen – wunderschöne, handtellergroße Prachtfalter aus Earrach und Crain. Das Volk sagte ihnen magische Kräfte nach und achtete stets darauf, dass unter den Fenstern der Kinderzimmer eine reich blühende Rose stand, deren Duft diese zarten Geschöpfe anzog. Es hieß, ihr Flügelschlag löse Träume aus.
    Bei den Portalwächtern hatte es offenbar funktioniert. Alle sieben waren um ein prasselndes Feuer versammelt, hatten sich in warme Decken gehüllt … und schliefen. Das sollten sie eigentlich nicht, und sie hatten sich ernsthaft bemüht, wach zu bleiben. Aber es war nicht weiter tragisch, dieses Nickerchen im Dienst. Denn sollte tatsächlich und ausgerechnet in dieser Nacht jemand herkommen, würden sie rechtzeitig gewarnt werden: Das Portal gab ein Signal von sich, wenn es aktiviert wurde.
    So saßen die sieben Jungen da und träumten ihre Träume unter dem Wintermond, dessen silbernes Licht über den gefrorenen Boden wanderte. Der erste Schnee dieses Jahres war gefallen; ein Hauch nur, der wie feines weißes Gespinst auf den Rosen lag und ihnen wenigstens für diese eine Nacht den Anschein gab, wieder heil zu sein. Es war so still ringsum. So friedlich.
    Urplötzlich flogen die Decken zurück, und die Elfen sprangen auf. Glockenläuten hatte sie aus dem Schlaf gerissen und brachte sie dazu, sich erschrocken umzusehen. Irgendetwas musste geschehen sein, denn es war nicht nur die große Kathedrale in der Stadt, nahe dem Königspalast, die ihren Ruf durch die kalte Nacht sandte. Überall im Land fingen die Glocken an zu läuten – von der kleinsten Kapelle bis zu den Kirchen –, und das taten sie ausschließlich in Momenten der Gefahr.
    Die Elfenjungen dachten an eine Feuersbrunst und wandten sich der Stadt zu. Auf Zehenspitzen stehend, suchten sie die dunklen Gebäude nach einem verräterischen roten Widerschein ab. Alle sieben hielten sich die Ohren zu. Die großen Glocken der Kathedrale waren bis in die Menschenwelt zu hören; da konnte man sich vorstellen, wie laut sie am nur zwei Kilometer entfernten Wachposten dröhnten. Auf jeden Fall laut genug, um das Signal zu übertönen.
    Hinter den Jungen schwang das magische Portal auf. Sie merkten es noch, spürten die plötzliche Anwesenheit fremder Aurenträger. Im Nu fuhren sie herum, griffen nach ihren Waffen. Es war nicht so, als hätten sie keine Erfahrung mit Schwertern, keine Übung mit Pfeil und Bogen. Doch der rothaarige Elf, der Lyonesse betrat, schob einen Kinderwagen vor sich her. Wie einen Schild. Konnten sie den wirklich angreifen?
    Die Elfen zögerten – und dieses Zögern entschied das Schicksal eines ganzen Landes. Hinter dem Rothaarigen schoss eine Bestie hervor, ein riesiges Katzentier mit glühenden Augen.
    Shumoonya brauchte keine zwei Minuten, um die Wächter zu töten. Es war entsetzlich, wie lustvoll sie die jungen Körper mit ihren Krallen zerfetzte, wie sie

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