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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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jubelt auf; der Vogel rührt sich, mit überschlagender Stimme, leicht krächzend. Es hat etwas grotesk Rührendes. »Ich mag ihn nicht!« bestätigt sie herzhaft. »Ekelhaft ist mir der Mensch. – Wie ich neulich genachtwandelt hab', hat er sich Freiheiten erlaubt gegen meiner und hat mich nackert paradieren lassen in mei'm Schlafzustand. Die Afra ist dazwischenkommen und hat ihn wieder 'neing'sprengt in sein' Koben. (Ich wundere mich über die Fülle der saftigen Ausdrücke bei so zarter Jugend.) Und die Afra hat mich ins Bett g'schafft. Aber die Mutter hat gelacht. Amüsant findet sie es, sagt sie. Und ich brauchte mich meiner Figur nicht zu schämen, und der Baron sei ein Ehrenmann.«
    »So so«, sage ich. – »So so.« Und das bedeutet, daß mir ein Licht aufgeht – was sage ich: ein Lüster! – über die Zusammenhänge. – Es müßte lustig sein, der Alten ein wenig in die Politik zu pfuschen. Vielleicht bekommt man sie dann kirre und kann sie sich vom Leibe halten; auf jeden Fall kann ich mir, rechtloser Aftermieter in diesen Zeitläuften, ein klein wenig Kontrolle und Selbstbehauptung erobern. – »Wie ist das, Fräulein Linda«, fahre ich scheinbar absichtslos fort: »Könnte es mir nicht auch einmal vergönnt sein, einer Schreibsitzung beizuwohnen?«
    »Sie wer'n nichts Besonderes erleben dabei, Herr Doktor«, meint sie mit ihrer leicht belegten, gleichgültigen Stimme. »Ich wer' die Mutter fragen . . .« – Aber des letzteren wird sie enthoben, denn die Tür öffnet sich unter gleichzeitigem Trommelwirbel mit spitzem Knöchel, und The Lady in Purple tritt ein. Unter vielem Wogen und Wallen spitzenverzierter Ärmelsäume, »geraffter« Drapierungen und schamlos (weil unecht) funkelnder Behänge.
    »Mutter,« sagt Linda ein wenig konfus, »grad will ich mir das Buch holen, was du mir ang'schafft hast, und da hat der Herr Doktor was wiss'n woll'n . . .«
    »Eine Information?« – Welches Juwel von Wort, aus süßem Speichel gespitzten Mundes geboren, in reinstem wienerisch-östlichem Hochdeutsch! – Oh, sie bläht sich von Politik; sie ist schlau, diese Frau! Wie kupplerisch suggestiv, entgleitend und vermittelnd . . . »Eine Information?«
    »Nein, gnädige Frau. – Aber Sie haben mich bis jetzt noch nie eingeladen, bei den automatischen Produzierungen Lindas zugegen zu sein. Ich finde das nicht nett. Sie haben mir soviel Erstaunliches erzählt. In Anbetracht dessen, daß ich Ihnen andauernd Bücher leihe über das Gebiet . . .«
    Sie steift sich; sie ist auf der Hut. »Aha; ja – sehr gut, Herr Doktor. – Selbstredend . . . selbstredend.« Der Vorschlag ist ihr unbequem; ich merke das. – Zögernd fährt sie fort: »Sie müßten – allerdings versprechen, sich meinen Anordnungen zu fügen . . . Ich führ' die Regie . . . No, wenn es Ihnen paßt, alsdann kommen Sie morgen nachmittag um vier Uhr. Der Baron ist auch dabei; den wer'n Sie kennenlernen . . . Aber eins, Hand aufs Herz: Sehr wichtig . . .: S–sollte mein S–seliger gegen Ihre Anwesenheit demonstrieren, so müßten Sie allerdings gehn, s–sofort gehn, denn der Mann ist was fürchterlich in seinem Zorn; gar nicht auszumalen, und ich und Linda, das Kind, das unschuldige, wir hätten's dann auszufressen . . .«
    »Ihr Gatte«, meine ich begütigend, »kann doch unmöglich was gegen mich einzuwenden haben . . .«
    »Gläubig müssen Sie sein, gläubig«, spricht sie und rollt dunkle Märchenaugen. »Der Baron glaubt, und deshalb hat mein Gatte sich ausg'söhnt mit ihm . . . No, es wird schon gehn.« Sie erhebt sich unter Schwierigkeiten, und auch Linda rüstet. »Sie wer'n was erleben, Herr Doktor, mit dem Kind, dem begnadeten . . . Alsdann auf Wiedersehn!« Das »begnadete Kind« seinerseits streckt der Voranwallenden die Zunge heraus.
VII
Am nächsten Tag, um halb vier Uhr, ist es in der Wohnung noch totenstill. Ich öffne leise, leise die Tür zum Korridor und lausche an Frau und Fräulein Bibescus Schlaf-, Wohn- und Spintisiergemach. Ich bekenne das einfach; man nenne solch Bekenntnis zynisch – nun wohl; der Abscheu meiner Leser wird sich mildern, wenn sie den Zweck erraten. Ich trage lautlose Hausschuhe; ich spioniere. – Drinnen höre ich genau, was ich zu hören erwarte.
    »Du hörst nichts. Du siehst nichts. Nur mich siehst und hörst du. Tust du das?«
    Ein gurgelndes »Ja«.
    »Du hast die Tafel in der Hand und Schreibgriffel. – Du wirst jetzt schnell schreiben, was ich dir

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