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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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knisternd über Verlockungen, von denen er sich lediglich durch das nilgrüne Gewand getrennt fühlt. Es ist anscheinend nicht das erstemal, daß die »Rufe« Herrn Bibescus so lebhaftes Echo in ihm wecken und Wurzeln schlagen. Der alte Herr fühlt sich sehr behaglich; das spürt man.
    »Geben Sie Obacht, Herr Baron,« fährt die Mutter nach einer kleinen abwartenden Kunstpause fort, »daß Sie sie nicht aufwecken, das liebe Kind. Sie steht noch in der Beschattung; hör'n Sie nur, wie sie schnauft. Soll'n wir versuchen, den Sinn hervorzuziehen und das Verborgene zu deuten? Obwohl mir scheinen will, er drückt sich heut' durchaus klar, zum mindesten nicht undeutlich aus . . .« Sie gestattet sich ein kleines Pusterchen aus den Nüstern . . . oder ist sie gerührt?
    »Sehr deitlich, jewiß! – Jar nicht mißzuverstehn!« pflichtet der Baron bei, mit etwas belegter Stimme.
    Die Silhouette am Fenster schweigt. Kein neckisches Pusterchen war's. Ich merke im Gegenteil, daß die Sibylle ein Taschentuch aus ihren Kimonofalten hervorholt. Es duftet nach Houbigant; ein scharfes Rüchlein, wie von Jasmin. Die Farben leuchten schwül in den Raum. Draußen rieselt die weißblaue Wellenweite des Bosporus . . . ach nein, es ist nur ein Hinterhof, und die Sonne brütet auf Hotelküchenmüll. – Die Alte führt das Batisttüchlein ans Antlitz; das Bühnenasthma der Mrs. Siddons, klassischer Kummer, unsterbliche Geste . . . Ihr Profil hat sich gedreht, in meine Richtung . . .
    »Sie erleben heut«, stöhnt sie schließlich, »den Abschluß einer Entwicklung, einer unvermeidlichen. Gerungen hab' ich mit meinem Mann wie Jakob mit dem Engel; aber ich beuge mich seinem Willen, die Toten sind stärker als wir. Was muß der Mann das Kind lieben, nicht wahr, daß er so noch übers Grab hinaus Schicksal spielt . . . So übergeb' ich sie denn vertrauensvoll dem gereiften Freund. – Eine Mutter, Herr Baron, reißt sich ihr alles von der Seele und gibt . . . und gibt . . .« Sie sinkt zusammen. Der Baron von Meerveldt zerrt sich mit einer Hand am Schnurrbart. Plötzlich gibt sich Frau Bibescu einen Ruck.
    »Sie wer'n den Seligen nicht enttäuschen, Herr Baron«, spricht sie suggestiv-monoton. »Sie wer'n das Kind nicht kompromittieren. Dazu kenn' ich Sie zu gut; Sie sind ein Ehrenmann, der die Welt kennt. Ich weiß, Sie wer'n den Pakt mit dem Seligen . . . legalisieren . . .«
    Die Hand hört für einen Augenblick auf zu rascheln. »Jewiß doch, jewiß«, beeilt sich darauf Herr von Meerveldt zu erwidern. – »Ich bring' sie in Ordnung, die Papierchen; nicht zwei Wochen nimmt das . . .«
    »Ich weiß, Sie sind ein Gentleman«, steigert sich die Mutter. – Dann, zu mir gewandt: »Sie wer'n es nicht oft erleben, Herr Doktor, daß Ihnen vergönnt ist, Zeuge zu sein bei einer so bedeutungsvollen Szene . . . Ein Vertrauen gibt das andere . . .«
     
    Mir ist es bei dieser eigenartigen Komödie längst äußerst unbehaglich geworden. Mir sind die Privattriumphe dieser Frau schließlich gleichgültig. Auch daß eine Mutter ihre Tochter verschachert, ist gang und gäbe und geht mich nichts an. Was ist mir Linda-Hekuba? – Aber hier handelt es sich um Vergewaltigung und Ausschlachtung, alles was recht ist. Und daß bei diesem Handel ein hysterischer Backfisch in Hypnose das Tauschobjekt bildet, geht mir so verquer, daß ich beschließe, das Geschäft zu verhindern. Ich bin »Zeuge«, bin es aber im Interesse dieses Häufleins Schlappheit in Nilgrün.
    »Sie haben recht, gnädige Frau«, bestätige ich darum. »Ein Vertrauen gibt das andere. – Aber sind Sie sicher, daß Ihr Herr Gemahl mit seiner Botschaft schon völlig fertig ist? – Nach den Schreibbewegungen Lindas zu urteilen, nachdem ihr die Tafel entzogen war, hatte er noch einiges auf dem Herzen . . . Sie wissen, welch starkes Interesse ich an Spiritkundgebungen nehme. Dürfte ich mich, des Experimentes halber, einmal an Ihren Platz setzen?«
    Pause. – Dann spricht die Alte, ziemlich bündig: »Leider ausgeschlossen, Herr Doktor. – Sie kennen den Seligen nicht. Dann wird er unwirsch. – Störung des Fluidums, verstehn Sie, nicht wahr?«
    »Nun gut. – Aber . . .«
    »Gern laß ich ihn nicht weitersprechen; aber wenn man es durchaus wünscht . . . – Hörst du mich, Linda?«
    Das Kind zuckt wieder zusammen. Der Baron rückt etwas abseits und glotzt benommen auf ihre tastenden Hände. Er will nicht im Wege sein. – Langsam hebt Linda

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