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Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927

Titel: Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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sind Sie noch ein rechter Dummkopf, einer von der Gilde der Impressionisten. – Urteil besitzen Sie nicht!«
    Boggi hatte sich gesammelt. Das lächerliche Angstgefühl war verschwunden, und in schier humoristischem Ton tat er die Frage: »Und woraus schließen Sie das?«
    Der Marquis sah ihn nachsichtig an. Er drehte die Kurbel an, sprang auf den Chauffeurplatz und rief schneidend, von Lachen geschüttelt:
    » Weil ich Sie selbst bin und alles, was Sie hier sehen und erleben, nichts ist als Ihr eigenes Hirngespinst!!! «
    Ein Wetterleuchten! – Ein abscheulicher Krach! – Ein Drunter und Drüber unter der Peitsche der Erkenntnis!!
    Taghelle, Fanfarenklänge!
    Die Hölle war verschwunden, weggelöscht, und statt dessen sah Boggi sich auf einer Ebene stehen, von einem milden, gleichmäßigen Licht umgeben. –
Zweiter Teil
Das Raritätenasyl
Boggi hatte über eine große Ebene zu wandern und ein Gebirge zu überklettern; eine recht strapaziöse Reise, die sich jedoch belohnt machte. Denn er gelangte in einen Kessel, ein Hochplateau oder eine Alpe von großer Ausdehnung, von silbern schimmernden Bergspitzen behütet und voll von Butterblumen und Margueriten. Aus der Mitte sah er etwas Weißes blitzen, einem Felssturz ähnlich oder auseinandergesprengtem Zucker. Er marschierte fröhlich und freute sich der Landschaft. Mit der Zeit (die Sonne, köstlich nah, begann zu brennen) stieß er auf einen hübschen, braungebrannten Jungen, der sich nackt im Grase rekelte und die flaumigen Wölkchen zählte, die oben im Azur auf der Weide waren.
    Der Junge machte keine Miene aufzustehen; er schien von all dem Grün und Glanz angenehm hypnotisiert zu sein, und seine blauen, von schwarzen Wimpern eingefaßten Augen starrten groß und behaglich in die Höhe, während eine goldene Fliege sich auf seinem blanken Knie die Fühler putzte. Boggi gab ihm einen kleinen Tritt in die Seite. Der Junge sauste empor – federte förmlich ein wenig, ehe er stabil wurde –, stemmte die Hände in die Hüften und sagte: »Da seh' einer an! Ich verbitte mir solche Handgreiflichkeiten! – Was sind Sie denn für eine Pflanze?!«
    »Entschuldigen Sie!« lächelte Boggi. »Ich hielt Sie für einen Ziegenhirten.«
    »Hin und her . . .« sagte der Junge abweisend. »Ich bin ebensowenig ein Ziegenhirt als Sie. Erstens gibt's hier gar keine Ziegen, und zweitens bin ich ohnehin was Besseres. Mein Name ist Gabriel. Als solcher verlange ich Respekt; meine Funktionen freilich zu würdigen, dazu sind Ihre frisch irdischen Sinne zu grob.«
    »Oh – nicht doch. Sie sind ein hübscher Gedanke vom . . . Chef, ähnlich wie diese Butterblumen und Margueriten. Sie sind ein Genrebildchen; ich liebe das; Sie machen sich gut mit diesem Hintergrund.«
    Der Junge war ganz blaß geworden. Dann brach er los: »Erlauben Sie: ›Genre‹?!? – Und was wissen Sie vom Chef? – Ich verbiete Ihnen, diesen Namen in den Mund zu nehmen! Und überhaupt: Ihre ganze Betonung gefällt mir nicht. Mir ist's ein Rätsel, wie man Sie hereingelassen hat.«
    »Ich hatte keine sonderlichen Schwierigkeiten. Ich mußte zwar klettern und schwitzen, aber die Leute, die auf dem bequemen Paß hereinwanderten, warfen mir Kußhände zu. Irgendwie bin ich wohl mit der hiesigen Einwohnerschaft solidarisch. Ich hoffe mich einzuleben«, schloß Boggi. »Und wir wollen uns vertragen, wie?« Er faßte den Jungen unters Kinn, bekam aber flugs einen derben Klaps.
    »Nun gut«, sagte Gabriel. »Ich will Sie nicht hinauswerfen, wiewohl ich das könnte. – Aber das müssen Sie mir versprechen: Gewöhnen Sie sich das Denken ab. Denken Sie kindlich, lieben und verehren Sie das Allernächste. So machen wir's alle hier. Nur auf diese Weise können Sie reüssieren. Wir haben schon mehr Krittler bekehrt; Sie sind nicht der erste. – Doch sagen Sie nochmals auf Ehrenwort: Hatten Sie keine Beanstandung?«
    »Nicht die geringste. – – Ich habe geliebt.«
    »Das ist schon etwas«, sagte Gabriel. »Liebende passieren. – Irgendeine Liebe, und sei es auch nur eine kleine Passion, schafft hier Einlaß. – Und Ihr Wunsch?«
    »Ich möchte zum Chef.«
    »Ja ja! – Denken Sie sich's nicht zu einfach! Gerade bei Leuten wie bei Ihnen ist der Chef nicht so kordial; er materialisiert sich höchst ungern und läßt sich am liebsten durch Symbole vertreten. Ich wiederhole Ihnen darum nochmals: Wünschen Sie sich nichts! – Denken Sie an das Nächstliegende, am besten: empfinden Sie bloß! Das hat der Chef am

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