Seidenfpade
sicher, daß er ein Irrtum ist?«
»Mich hält er bestimmt für einen.«
Es herrschte Schweigen, während Cassandra ihre Worte mit der Sorgfalt der Diplomatin, die sie einmal war, abwägte.
»In der alten Welt«, sagte sie langsam, »die, die wir alle hinter uns gelassen haben, sind Krieger und Frauen gewöhnlich getrennte Wege gegangen. Jetzt nicht mehr. Jetzt ziehen einige Frauen an der Seite der Männer, die sie lieben, mit an die Front. Die Männer hassen es, aber...« Sie zuckte die Schultern. »Wir gewöhnen uns alle daran. So hart es auch ist.«
Dani blickte Cassandra an und sah, wie müde und doch gleichzeitig wie lebendig die andere wirkte - ihre Vitalität konnte man beinahe greifen.
Charisma, dachte Dani. Damit hat Henley recht. Aber was die Unruhestifterin betraf, könnte er nicht mehr danebenliegen.
»Was ist passiert?« fragte Dani. »Und versuchen Sie nicht, mir weiszumachen, es wäre nichts geschehen.«
»Kasatonin hat versucht, Gillespies Leben gegen mein Einverständnis, von jetzt an mit der Harmony zu kooperieren, auszuspielen.«
»Wie? Wann?«
»Als ihr auf Aruba wart. Kasatonin hat mich auf offener Straße abgepaßt. Wir unterhielten uns, während seine Männer versuchten, Gillie in Miami umzubringen.«
»Allmächtiger!«
»Und Gillie hat sich der Killer angenommen. Ich bin nur deshalb noch am Leben«, fügte Cassandra hinzu, »weil Kasatonin nicht glaubte, ich wäre ohne Beschützer auf der Straße.«
Dani stieß ein ersticktes Lachen aus.
»Katja war auch so ein Glückspilz«, sagte Dani. »Shane hätte sie töten können.«
»Er hat es mir erzählt. Bloß gut, daß er es nicht getan hat! Sowohl um seinet- als auch um unseretwillen ... was er in ihrem Safe fand, hat sie in seinen Augen etwas menschlicher gemacht. Ein verlorenes Kind ...«
Cassandras Stimme erstarb. Sie faltete ergeben die Hände.
»Alles, was Shane mir sagte, war, daß er die Seide nicht gefunden hat«, wunderte Dani sich.
»Er wollte Sie schonen. Es gibt nichts in Katjas Safe, das Ihr Leben bereichern würde.«
Während Dani noch darüber nachdachte, öffnete Cassandra die Tür zum Konferenzzimmer und drängte sie sanft zum Eintreten.
Der Raum bildete das glatte Gegenteil zur Würde und Gemütlichkeit von Cassandras stattlicher Privatbibliothek. Es gab zwar auch hier Bücher, doch dominierten die sechs Computerterminals, zweimal so viele Konferenzleitungen und weitere, nicht auf den ersten Blick durchschaubare elektronische Geräte, die in mehreren, in den Ecken verteilten Nischen angeordnet waren.
Rasch suchte Dani nach Shane.
Er saß mit dem Rücken zu ihr vor einem PC. Auf dem Kopf hatte er Kopfhörer, und zwar von der Art, wie sie Fluglotsen trugen - extrem leicht, unauffällig und ultramodern.
Auf dem Bildschirm war ein Nummern- und Buchstabensalat zu erkennen. Er starrte ihn an, als könnte er allein kraft seines Willens den Code knacken.
»Will noch jemand Minestrone?« erkundigte Cassandra sich.
Gillespie blickte von einem Stapel Papiere auf. Neben ihm stand ein modernes, silbernes Teeservice mit den obligatorischen Keksen, Milch und Zucker. Unter den Halbgläsern blickten seine Augen müde und zornig drein, wie ein Mann, der zuviel Gier und Dummheit, Tod und Leiden gesehen hat.
Kopfschüttelnd sagte er: »Aber ich kann gerne eine für dich bestellen.«
Das lehnte Cassandra dankend ab.
Shane blickte nicht einmal vom Bildschirm auf. Die verschlüsselten Zeichen starrten ihn mit den Augen von zahllosen Toten an.
Er markierte alles und drückte auf ein paar Tasten. Der Cursor wurde zu einer hin- und hereilenden Leuchte. Sie sollte dem Anwender nur signalisieren, daß der Computer arbeitete, obwohl kein Ergebnis aufflimmerte.
»Dani hat gerade eine indirekte Warnung von den Chinesen bekommen«, meldete Cassandra nun.
Shane fuhr herum. Seine Augen glitten wie Hände über Dani, um zu sehen, ob sie irgendwo verletzt war. Dann wechselte sein Blick wieder zu Cassandra.
»Wissen sie von Aruba?« fragte er.
Cassandra blickte Dani an.
»Henley hat ein Buch über die Karibik auf meinem Büroschreibtisch liegen sehen«, erklärte Dani. »Ich hab ihm gesagt, ich wollte da auf Urlaub hinfahren.«
»Hat er es dir abgekauft?« hakte Shane nach.
»Scheint so. Daraufhin hat er sich einen Artikel über Seidenraupen angesehen.«
Shane schaute zu Gillespie hinüber.
»Hier gibt es nichts, Kumpel«, verneinte der. »Nicht mal eine Andeutung, daß du und Dani auf Aruba erkannt worden wäret, und der
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